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Tochter des Glueck

Tochter des Glueck

Titel: Tochter des Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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aufspringe, zu der niedrigen Mauer renne und mich noch einmal in den ehemaligen Schweinestall übergebe.
    Kumei wird wieder fröhlicher. »Du hast großes Glück! Ein Baby wird dich verändern. Einen Sohn zu haben, ist sogar noch besser. Das verleiht dir Wert und verschafft dir Geltung. Sung-ling bekommt auch ein Baby. Hast du schon gehört?«
    Auch von diesem neuesten Klatsch habe ich noch nichts gehört. Das lässt in mir den Verdacht aufkommen, dass man mich im Gründrachendorf wirklich als Außenseiterin betrachtet – und das bereits, bevor ich Yong geholfen habe.
    »Du und Sung-ling, ihr solltet Freundinnen werden, weil ihr beide schwanger seid«, schlägt Kumei vor. Als könnte sie meine Gedanken lesen, fügt sie verschwörerisch hinzu: »Sie wird dir helfen können nach dem, was du heute getan hast.«
    Langsam dringt es in mein Bewusstsein. Ein Baby. Wie kann ich jetzt das Gründrachendorf verlassen? Ich schlage die Hände vors Gesicht.
    »Mach dir einen Ingwertee«, empfiehlt mir Yong, und das bestätigt, dass meine Schwiegermutter über meinen Zustand Bescheid wusste. »Das beruhigt den Magen.«
    »Du musst viel Fisch essen«, rät Kumei, »das ist gut für die Haare des Babys.«
    »Und vergib deinem Mann und seiner Familie, was sie vorhin getan haben«, fügt Yong hinzu. »Sie haben nur an den Wurzeln ihrer Armut und ihres Elends gezerrt. Denk daran, dass sie früher keine Rechte als Menschen hatten.«
    Widerwillig verlasse ich das Hofhaus und gehe den Hügel zum Haus meines Mannes hinauf. Ich bin schwanger . Das sollte mich eigentlich nicht überraschen, tut es aber. Plötzlich begreife ich etwas über meine Mutter und meine Tante, was mir noch nie so klar war. Sie blieben in arrangierten Ehen mit Männern verheiratet, die nicht aus ihrer gesellschaftlichen Schicht stammten – und Onkel Vern hatte zudem nicht mal alle fünf Sinne beisammen. Sie blieben in Chinatown, wo es ihnen überhaupt nicht gefiel. Sie blieben wegen mir. Mehr als alles andere zeigt mir das, wie groß ihre Mutterliebe ist. Sie liebten mich sehr und brachten Opfer für mich, so wie ich nun erfüllt bin von Liebe – und Angst – und fest entschlossen, was auch immer nötig ist, für mein Kind zu opfern. Keine zwei Stunden zuvor wollte ich weg von hier, aber wie soll das nun gehen? Mein Sohn – jede chinesische Mutter wünscht sich einen Sohn – gehört hierher. Seine Familie ist hier, und sein Vater ist hier. Das ist das Dorf seiner Vorfahren. Ich muss hierbleiben, um meinem Sohn zu zeigen, wie groß meine Mutterliebe ist. Aber wie soll das gehen, nach dem, was ich während der öffentlichen Kritik in Taos Gesicht gesehen habe, nach dem Minuspunkt, den ich heute bekommen habe, weil ich Yong half, und nachdem mir klar wurde, was für ein entsetzlicher Irrtum meine Einschätzung des Kommunismus, der Kommunen und der Ideale des Dorflebens war?
    Auf der Terrasse des Hauses meines Mannes bleibe ich stehen und blicke hinaus über die Felder. Was an der bevorstehenden Mutterschaft ist es, das mich alles mit neuen Augen sehen lässt? Ich weiß es nicht, aber das Gelb des Rapses leuchtet jetzt noch viel mehr als heute Morgen. Wenn ich hier überleben will – als Ehefrau und Mutter –, muss ich etwas für mich tun, so wie Tante May mit ihrer Arbeit in Hollywood und meine Mutter mit ihrem Einsatz für unser Zuhause, das Café und uns alle. Ich muss die Bilder festhalten, die mir durch den Kopf gehen. Eine Fotografie ist zu klein. Ein Plakat ist zu gewöhnlich. Vor meinem inneren Auge sehe ich etwas, das so groß und raumgreifend ist wie die Rapsfelder. Eine so große Leinwand gibt es zwar nicht, aber ich kenne den perfekten Ort, um zu malen, was ich empfinde: die Wände der Führungshalle, wo Brigadeführer Lai seine Mahlzeiten einnimmt und das Getreide für die Kommune lagert. Ich bekomme ein Baby. Ich starte einen Sputnik, ich bringe mit meinem Mann alles wieder in Ordnung, und währenddessen kann ich mich hoffentlich vor den Bauern schützen und mein wahres Ich finden.

P EARL
    Die Lebensleiter
    E s ist April – zwanzig Monate ist es her, seit ich Los Angeles verlassen habe, und fünf Monate, seit Z. G. und ich aus Kanton zurückgekehrt sind. Ich arbeite wieder als Papiersammlerin; Z. G. ist wieder in seinem Atelier. Man ignoriert mich, denn ich bin ja nur eine Straßenkehrerin; er wird genau beobachtet, um sicherzugehen, dass er nicht von den in Auftrag gegebenen Themen abweicht. Wir folgen unserer täglichen und wöchentlichen Routine;

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