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Tochter des Glueck

Tochter des Glueck

Titel: Tochter des Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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sich für klug und ist sehr begeistert von dem, was dort vor sich geht, aber sie hat keine Ahnung davon.«
    Wie komme ich dazu, einem völlig Fremden all das zu erzählen? Weil ich nicht erwarten kann, dass der Mann mir hilft, wenn ich nicht völlig ehrlich zu ihm bin.
    »Haben Sie vor, in die Volksrepublik China zu fahren?«, fragt er unbeeindruckt.
    »Sie sagen das, als wäre es nichts, aber China ist ein kommunistisches Land. Es ist geschlossen.«
    »Ja, ja, ja«, sagt er gelangweilt. »Der Bambusvorhang und so.«
    Ich verstehe sein Verhalten nicht. Ich habe gerade meine Sorgen und Probleme vor ihm ausgebreitet, und er benimmt sich, als wäre das alles völlig unwichtig.
    Ich klopfe auf den Tresen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. »Helfen Sie mir nun oder nicht?«
    »Hören Sie, meine Dame. Das ist ein Bambusvorhang, kein eiserner Vorhang. Die Grenze zu China wird ständig überquert. Das ist keine große Sache.«
    »Wie meinen Sie das?«, frage ich ungeduldig. »China ist geschlossen …«
    »Die Volksrepublik China ist in Propagandadingen sehr gut, aber Ihr Land ist das auch. Ihr Amerikaner denkt, die Volksrepublik China sei völlig abgeriegelt. Das gehört zur Kampagne Ihrer Regierung, um China zu isolieren – keine diplomatische Anerkennung, Handelsembargo, keine Familienzusammenführungen …«
    Mir ist durchaus bewusst, dass die Vereinigten Staaten China für seine Rolle im Koreakrieg und für die Unterstützung der Sowjetunion im Kalten Krieg bestrafen. Und dazu kommen noch der ständige Ärger mit Taiwan und die Drohung der Ausbreitung des Kommunismus.
    »Aber die Briten machen noch immer Geschäfte dort.« Er beugt sich vor, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Sämtliche osteuropäischen Länder sind dort zugange. Sogar Amerikaner – Journalisten, die von Mao und der Regierung eingeladen wurden – gehen in China ein und aus. Vor allem aber setzen wir Chinesen unsere Geschäfte dort fort. Hongkong und Festlandchina verbindet seit Jahrhunderten eine besondere Geschäftsbeziehung, lange bevor Hongkong zur Kolonie wurde. Wie sollen wir zum Beispiel ohne die chinesische Kräutermedizin leben?«
    Als ich ihn verständnislos ansehe, beantwortet er seine Frage selbst. »Das können wir nicht. Wir brauchen die Wirkstoffe gegen alle möglichen Krankheiten – Mumps, Fieber, Probleme unterhalb der Gürtellinie … Und bedenken Sie: In vierzig Jahren fällt Hongkong wieder an die Volksrepublik China zurück. Glauben Sie nicht, die Kommunisten würden nicht schon jetzt versuchen, ihre Hände ins Spiel zu bringen. Das Regime kann über Hongkong Devisen laufen lassen, Materialien kaufen, die woanders schwer zu bekommen sind, und bestimmte Waren in andere Länder exportieren. Nicht, dass es völlig unkompliziert wäre, Menschen und Dinge über die Grenze zu bekommen, und zwar in beiden Richtungen …«
    »Meine größte Sorge ist, dass meine Tochter nach China gefahren ist und man sie sofort abgefangen und erschossen hat. Wollen Sie behaupten, so was passiere nicht?«, frage ich, denn nichts, was er mir erzählt, passt zu dem, was ich bisher über die Vorgänge in der Volksrepublik China gehört habe.
    »Propaganda«, sagt er und betont dabei jede Silbe. »Noch mal, Sie ahnen ja nicht, wie viele Chinesen jeden Tag nach China zurückkehren. Seit der Befreiung sind allein nach Fukien über sechzigtausend Überseechinesen gegangen. Weitere neunzigtausend sind aus Indonesien in ihr Vaterland heimgekehrt. Glauben Sie, die Regierung würde alle diese Menschen umbringen?«, spottet er. »Doch wenn Sie solche Bedenken haben, sollten Sie vielleicht nicht hinfahren.«
    »Ich muss aber meine Tochter finden.« (Und es ist mir egal, was er sagt. Ich habe die Zeitungen gelesen. Ich habe die Nachrichten gesehen. Es ist Rotchina , Herrgott noch mal.)
    Er mustert mich von Kopf bis Fuß, erkennt, dass ich Witwe bin. Dann sagt er: »Wie Sie sagen, sie ist eine Tochter. Vielleicht ist sie es nicht wert. Wäre sie ein Sohn, wäre das etwas anderes.« Hongkong mag eine britische Kolonie sein, aber die alten chinesischen Bräuche und Traditionen sitzen noch tief. Ich bin so wütend, dass ich ihn am liebsten schlagen würde. »Vergessen Sie das dumme Mädchen«, fügt er hinzu. »Sie können noch mehr Kinder bekommen. Sie sind noch jung genug.«
    »Ja, ja«, stimme ich zu, denn was hätte es für einen Sinn, über den Wert einer Tochter zu diskutieren oder den Mann zurechtzuweisen, weil er das Gelübde einer Witwe beleidigt? »Ich

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