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Tochter des Glueck

Tochter des Glueck

Titel: Tochter des Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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zurückgekehrt«, erzählt sie. »Er hat die Miete gezahlt, die er mir schuldete, und mir noch Geld für die Sachen gegeben, die ich für ihn aufbewahrt hatte – Farben, Pinsel, Kleidung und den ganzen Rest. Meinem Enkel hat er Geld gegeben, damit er alles zu ihm in sein neues Haus bringt. Dann hat er mir noch mehr Geld gegeben …«
    Das ist ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl. Vielleicht funktioniert manches doch noch wie im alten China.
    »Was kostet seine Adresse?«
    Sie glaubt wahrscheinlich, sie fordert eine astronomisch hohe Summe, aber es ist umgerechnet kaum mehr als ein US -Dollar.
    Z. G. wohnt nicht weit von hier an einem hübschen Fußgängerweg, gesäumt von eleganten Häusern im westlichen Stil, die in den Zwanzigerjahren erbaut wurden. Ich bleibe stehen, um Lippenstift aufzutragen und mir mit dem Kamm durch die Haare zu fahren. Dann streiche ich mit den Händen über meine Hüften, um sicherzugehen, dass alle Nähte gerade liegen und der Rock perfekt sitzt. Ich kann nichts dafür, ich möchte schön aussehen.
    »Er ist nicht da«, sagt das hübsche Dienstmädchen, das die Tür öffnet.
    »Darf ich hereinkommen? Ich bin eine alte Freundin.«
    Das Dienstmädchen sieht mich neugierig an, aber es lässt mich eintreten, was mich zunächst überrascht, doch als ich hineingehe, verschlägt es mir den Atem, und ich bleibe wie angewurzelt stehen: An den Wänden hängen alte Plakate von meiner Schwester und mir. Sie wurden vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen und vor dem Schmutz der Straße geschützt. Sie sind nur für die Augen von Z. G. bestimmt. Nichts davon habe ich erwartet – weder die Plakate noch den Wohlstand, die Eleganz oder die drei Dienstmädchen, die sich nervös vor mir aufreihen und auf ihre gefalteten Hände hinunterblicken.
    Ich zeige auf die Plakate an der Wand: »Da seht ihr, dass euer« – was wäre wohl im Neuen China das richtige Wort? – »Arbeitgeber und ich uns vor vielen, vielen Jahren kannten. Bitte sagt mir, wo er ist.«
    Die Mädchen treten von einem Fuß auf den anderen, weigern sich entweder meinen Blick zu erwidern oder mir meine Frage zu beantworten. Es ist lange her, seit ich mit Dienstmädchen umgehen musste. Ich mache es genauso wie bei Z. G.s früherer Vermieterin. Ich hole den Geldbeutel aus meiner Handtasche.
    »Wo ist er?«, frage ich.
    »Er wurde aufs Land geschickt«, erklärt das Mädchen, das meiner Meinung nach das Sagen hat. Sie scheint die Älteste zu sein, allerdings ist sie wohl kaum älter als fünfundzwanzig. Die beiden anderen Mädchen zappeln weiter herum.
    Ich kann mich nicht erinnern, dass Z. G. Verbindungen aufs Land hatte. Ich habe auch gelesen, dass es im Neuen China eine übliche Strafe ist, jemanden aufs Land zu schicken.
    »Weil er so wohnt? Oder …« Ich betrachte noch einmal die jungen Gesichter vor mir. Gab es ein Problem, weil er mit diesen drei Frauen zusammenlebt? In der Vergangenheit galt alles Mögliche als unschicklich. Ich überlege gerade, wie ich dieses Thema am besten anspreche, da liefert mir das Dienstmädchen mit dem kurzen Bubikopf eine neue Information.
    »Auf den Leitvogel wird zuerst gezielt«, sagt sie leise. »Herr Li ist in Schwierigkeiten.«
    »Alles verändert sich ins Gegenteil«, piepst die dritte.
    »Heute Hund, morgen Katze«, fügt das Mädchen mit dem Bubikopf hinzu. »Vielleicht haben sie ihn in ein Arbeitslager geschickt.«
    »Oder ihn umgebracht«, sagt das dritte Dienstmädchen und blickt ängstlich zu mir auf.
    »Ist er denn festgenommen worden?«, frage ich. Als die Mädchen nicht antworten, dränge ich: »Ich möchte die Wahrheit wissen. Die ganze Wahrheit.«
    »Er ist aus freien Stücken aufs Land gegangen, um sich reinzuwaschen, von den Bauern zu lernen, demütiger zu werden, und um sich an die Ziele der sozialistischen Kunst zu erinnern«, spult das vorgesetzte Mädchen schnell herunter, bevor die anderen beiden wieder mit ihrem Geplapper anfangen.
    »Wann kommt er nach Hause?«, frage ich.
    »Die Frage ist eher, ob er nach Hause kommt«, meint das Mädchen mit dem Bubikopf. »Immerhin fängt ein großer Baum den Wind.«
    Die Ranghöchste zwickt ihre Untergebene, damit sie still ist. Offenbar mag sie es nicht, wenn die untergeordneten Dienstmädchen sich zu viel herausnehmen.
    »Ich bin weiterhin voller Hoffnung«, sagt die Vorgesetzte. »Ansonsten hätte er mir kein Geld dagelassen, damit ich mich um das Haus kümmere.«
    »Und damit wir zu essen haben«, murmelte das stille Mädchen.
    Ich

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