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Tochter des Glueck

Tochter des Glueck

Titel: Tochter des Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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Literatur von der Partei loslösen. Wir waren nicht der Meinung, dass alle Kunst und Literatur Arbeitern, Bauern und Soldaten dienen sollte. Ab Mai wollte der Vorsitzende Mao dann keine Kritik mehr hören. Im Sommer gefiel ihm das alles gar nicht mehr, kein bisschen. Als er eine Rede darüber hielt, wie man ›Schlangen aus ihren Höhlen lockt‹, wussten wir, dass die Anti-Rechts-Kampagne begonnen hatte. Der Speer trifft den Vogel, der den Kopf herausstreckt.«
    Ich weiß nicht, warum Z. G. so weit vom Thema abgewichen ist, aber Joy ist fasziniert. Sie setzt sich und hört hingebungsvoll zu. Irgendwo tief drinnen packt diese Geschichte sie, an der Stelle, die ich bisher nicht erreichen konnte. Erzählt er Joy, die unter ihren eigenen Tragödien, Sorgen und Schuldgefühlen – ob berechtigt oder nicht – leidet, wie er gerade erfahren hat, nun seine Leidensgeschichte, um ihr eine Perspektive zu geben? Ich setze mich zu Joy auf das Sofa und zwinge mich, genauer zuzuhören.
    »Als die Säuberung begann, wurden einige Kader in entlegene Gebiete ›hinauf in die Berge und hinab in die Dörfer‹ geschickt, wo sie unwichtige Posten einnehmen oder Feldarbeit leisten sollten. Für Schriftsteller und Künstler war es noch schlimmer. Wisst ihr, was Ministerpräsident Chou En-lai gesagt hat, als er nach dem Grund dafür gefragt wurde?«
    Keine von uns beiden antwortet.
    »Er hat gesagt: ›Wenn Intellektuelle keinen Mist schaufeln, vergessen sie ihren Ursprung, werden eingebildet und verlieren die Fähigkeit, den Arbeitermassen mit ganzem Herzen zu dienen.‹ Aber Mist zu schaufeln, ist nicht Strafe genug für diejenigen, die man als Konterrevolutionäre, Rechtsabweichler, Spione, Taiwan-Sympathisanten oder Verräter bezeichnet hat …«
    »Ich verstehe nicht, was das alles damit zu tun haben soll, dass ich Joy mit nach Hause nehme« sage ich.
    »Sie sieht nur, was sie sehen will, und ich möchte, dass sie es auch versteht«, erklärt Z. G. »Als sich alles änderte, warf man mir vor, ich sei ein giftiges Unkraut und keine duftende Blüte mehr. An dem Tag, an dem Joy in Shanghai ankam, wurde ich bei der Künstlervereinigung öffentlich kritisiert. Meine Freunde warfen mir vor, meine Einstellung sei zu westlich, ich würde bei meinen Bildern westliche Techniken der Schattierung und der Perspektive anwenden, und meine Pinselstriche seien zu individualistisch. Ich bin nicht aufs Land gegangen, um den Massen Kunstunterricht zu geben. Ich war nicht dort, um das echte Leben zu beobachten und daraus zu lernen. Ich war dort, damit ich nicht zur Umerziehung in ein Arbeitslager musste.«
    »Das kann doch nicht sein«, sagt Joy unsicher.
    Wie leid sie mir tut. Sie muss alles mit ganz anderen Augen sehen … schon wieder. Sie muss begreifen, dass der Mensch, zu dem sie sich geflüchtet hat, ebenfalls auf der Flucht war.
    »Denk mal nach, Joy«, sagt er. »Sie haben uns im Hofhaus des Grundherrn untergebracht, in das sie die anderen unliebsamen und fragwürdigen Leute im Gründrachenkollektiv gesteckt haben.«
    »Das stimmt nicht.« Sie bleibt weiterhin stur.
    »Das stimmt schon. Kumei, Yong und Ta-ming waren die Konkubine des Grundbesitzers, eine seiner Ehefrauen mit gebundenen Füßen und sein einziger überlebender Sohn.«
    »Kumei kann doch keine Konkubine gewesen sein …«
    »Du dachtest, die Dorfbewohner würden uns eine besondere Behandlung zukommen lassen, aber ich sage dir, es war eine Strafe, dass sie uns im Hofhaus haben wohnen lassen.«
    »Aber wir haben doch dem Volk gedient«, argumentiert Joy. »Wir haben bei der Kollektivierung geholfen.«
    »Durch das freiwillige Angebot, in das Dorf zu gehen, wollte ich Einfluss auf meine Strafe nehmen«, sagt Z. G. »Ich hatte damit gerechnet, mindestens sechs Monate lang im Gründrachendorf bleiben zu müssen, aber das wäre noch besser gewesen als die vielen Jahre im Arbeitslager … falls ich überhaupt jemals herausgekommen wäre. Als du plötzlich bei mir auf der Schwelle standest, wurde alles noch komplizierter. Wie konnte es sein, dass ich eine Tochter aus Amerika habe – unserem ultraimperialistischsten Feind? Wenn jemand nach deiner Mutter fragen würde, was sollte ich sagen? Dass sie ein Kalendermädchen war? Jeder hätte den Schluss gezogen, dass sie nationalistische Verbindungen hatte, sonst hätte sie China nicht verlassen. Das wäre wieder ein Minuspunkt für mich gewesen.«
    »Aber der Vorsitzende Mao mag dich«, jammert Joy geradezu. »Er hat mir alles über eure

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