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Tochter des Glücks - Roman

Tochter des Glücks - Roman

Titel: Tochter des Glücks - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Vergleich zu Shanghai winzig und verglichen mit der Schönheit Hangchows ziemlich nichtssagend. Die Gebäude in der Stadt sind mäßig groß, und es scheint hier keine nennenswerte Industrie zu geben. Offenbar bringen die Leute aus der Umgebung ihre Feldfrüchte und andere hausgemachte Waren hierher, um sie zu verkaufen und zu tauschen. Als wir den Busbahnhof erreichen, treffen wir auf eine Menge Reisender und Waren. Manche Leute tragen die traditionelle Kleidung ihrer ethnischen Gruppe – blaue Tuniken, bunten Kopfputz aus Stoff und handgearbeiteten Silberschmuck. Manche Dialekte verstehe ich nicht, was mich wundert, weil wir noch so nahe an Shanghai sind. Die Leute starren mich an, aber statt sich abzuwenden wie viele in Shanghai, begrüßen sie mich mit einem breiten – oft zahnlosen – Grinsen.
    Wir besteigen einen klapprigen Bus. Die Passagiere – die nach Knoblauch und zunehmend nach Schweiß riechen – haben weinende Babys, lebende Hühner und Enten, Beutel mit Obst und Gemüse sowie Gläser mit eingelegten und eingesalzenen Dingen dabei, die stinken, tropfen und den ganzen Bus mit immer mehr Gestank erfüllen, je weiter der Tag voranschreitet. Ich schaue aus dem Fenster über Felder, die unter der brütend heißen Sonne liegen. Bald wird die Straße schmaler, dann ist sie unbefestigt. Wir fahren sanfte Hügel hinauf. Ich frage Z. G., wie weit es noch zum Gründrachendorf ist.
    »Keine Ahnung. Ich war noch nie da. Man hat mir erzählt, früher sei es ein wohlhabendes Dorf gewesen. Wir werden in einem Hofhaus wohnen.« Er reckt das Kinn vor. Mein Vater Sam machte das immer, statt mit den Schultern zu zucken. »Was das genau heißt, weiß ich nicht.«
    Z. G. sagt, das Gründrachendorf liegt 400 Kilometer von Shanghai entfernt. Die Straße – wenn man sie überhaupt so nennen kann – ist in einem so schlechten Zustand, dass wir nur schleichend und holpernd vorankommen. Nach ein paar Stunden hält der Bus an. Der Fahrer ruft die Namen einiger Dörfer aus, auch das Gründrachendorf ist dabei. Wir zwei sind die Einzigen, die aussteigen. Ich habe meinen Koffer, Z. G. seine Reisetaschen und Kästen. Wir stehen auf einem staubigen Weg mitten im Nirgendwo. Irgendwann kommt ein Junge auf einem Eselskarren vorbei. Z. G. spricht mit dem Jungen. Auch diesen Dialekt verstehe ich nicht, nur einzelne Wörter. Z. G. hilft mir, hinten auf den Karren zu steigen. Dann wirft er unser Gepäck hinein und klettert neben den Jungen, der nun den Esel peitscht. Auf der rechten Seite arbeiten Männer und Frauen auf Reisfeldern. In der Ferne zieht ein Wasserbüffel einen Pflug durch ein überflutetes Feld. Das hier ist eine so andere Welt, und einen kurzen Augenblick frage ich mich, ob ich das alles schaffe – auf dem Land zu leben, Feldarbeit zu erlernen, sogar Z. G. zu helfen.
    Es ist etwa siebzehn Uhr, als der Junge den Esel zügelt und uns aussteigen lässt. Z. G. hängt erst mir ein paar Schultertaschen um, dann sich selbst. Wir nehmen unser Gepäck und machen uns langsam auf den langen Fußweg, erst über einen kleinen Hügel, dann hinunter in ein enges Tal, wo Ulmen Schatten spenden. Wir kommen an einem handgemalten Schild vorbei, auf dem steht:
    RÄUME DIE HINTERLASSENSCHAFTEN
DEINER TIERE WEG.
SEI HARMONISCH.
ACHTE DAS VOLK UND DAS LAND.
    Wir kommen in das Gründrachendorfkollektiv. Weiden schwanken sanft im Wind. Ein öffentlicher Platz – ein offener Bereich mit einem einzelnen großen Baum in der Mitte – liegt vor uns. Auf einem Felsblock am Rand des Platzes sitzt ein junger Mann und hält Ausschau, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Er ist barfuß. Seine Haare sind so schwarz, dass sie in der Sonne blau glänzen. Als er uns sieht, springt er auf und läuft uns entgegen.
    »Bist du Genosse Li?«, fragt er.
    Z. G. nickt. »Und das ist meine Tochter.«
    Der junge Mann hat ein offenes Gesicht. Seine Zähne sind weiß und ebenmäßig. Die Schultern unter dem Baumwollhemd sind breit und stark. »Ich bin Feng Tao«, sagt er. »Und ich bin bereit zu lernen.«
    »Ich bin es, der hofft, von dir zu lernen«, antwortet Z. G. förmlich.
    Z. G. spricht denselben derben ländlichen Dialekt, den er bei dem Jungen mit dem Karren benutzt hat, doch während ich dieser einfachen Unterhaltung lausche, fange ich langsam an, die feinen Nuancen bei den Tönen und in der Aussprache wahrzunehmen, die dieses Sprachmuster vom Shanghaier Wu-Dialekt und dem höhersprachlichen Mandarin in der Region unterscheidet.
    Tao nimmt mir die

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