Tochter des Glücks - Roman
amerikanischen Inspektoren bemerkten den Unterschied erst viele Jahre später, als das Foto dazu benutzt wurde, zu beweisen, dass Sam ein Papiersohn war und sich nur illegal in Amerika aufhielt.
»Und wir?«, frage ich.
»Ihr fahrt hinten auf dem Laster mit. Wir verstecken euch, wenn wir näher an der Grenze sind.«
»Funktioniert das?«
Mein Vater zwinkert. »Vielleicht. Ich hoffe es.«
Wir gehen über das Feld zu den Lastwagen. Beide haben offene Ladeflächen mit Holzlatten an den Seiten. Ein Wagen ist mit Schweinen beladen, die auf Stroh gepolstert sind, und mit einzelnen Körben, in denen sich Ferkel befinden. Auf dem anderen sind Fässer, Krüge und dicke Jutesäcke gestapelt. Wir klettern hinten auf den zweiten Laster. Mein Vater und Hop-li fahren. Ich mache mir Sorgen wegen Ta-mings Magen, aber es scheint ihm gut zu gehen. Er schaut zwischen den Holzlatten hindurch und betrachtet die vorüberziehende Landschaft. Bald schon biegen wir auf eine befestigte Straße ein. Die Sonne bleibt auf der linken Seite, während wir Richtung Süden fahren. Ich wünschte, Dun wäre bei uns, und ich bete, dass es ihm gut geht. Angst und Sorgen haben mich erbarmungslos im Griff. Ich nehme Joys Hand, und wir halten einander fest.
Je näher wir der Grenze kommen, desto mehr Verkehr herrscht – Schubkarren, Handwagen, von Eseln, Maultieren und Wasserbüffeln gezogene Karren, hoch mit Waren beladene Fahrräder, Lastwagen jeder Größe und Menschen mit Körben voll Obst oder Gemüse auf dem Rücken, an Tragestangen über den Schultern oder auf dem Kopf. Unsere beiden Lastwagen biegen von der Hauptstraße ab, fahren in eine Gasse und halten an.
Mein Vater kommt zur Rückseite des Wagens, und wir springen alle hinunter. Die Männer ziehen eines der Fässer von der Ladefläche. Mein Vater stemmt den Deckel auf. Es ist mit getrockneten Seepferdchen gefüllt. Er nimmt die oberste Schicht heraus, darunter kommt ein verborgener Hohlraum zum Vorschein. Dann beugt er sich hinunter zu Ta-ming. »Du musst in das Fass steigen und dich ganz still halten.«
Ta-ming sieht zu mir hoch und beginnt zu zittern. Er hat seine tröstende Geige nicht dabei, so wie damals, als er sich im Kofferraum von Z. G.s Auto verstecken musste. Aber das ist nicht unser einziges Problem. Samantha soll in einen Korb mit mehreren Ferkeln gesteckt werden und die Grenze in dem Schweinelaster überqueren.
Joy schüttelt den Kopf. » Mein Baby stecke ich nicht in einen Korb mit Ferkeln.«
»Das muss aber sein, wenn du sie hinüberbringen willst«, sagt mein Vater, der genauso starrsinnig ist wie meine Tochter.
»Dann bleiben wir eben da«, blafft ihn Joy an.
Ich lege ihr die Hand auf den Arm. »Als Mütter müssen wir manchmal Dinge tun, die uns hart ankommen«, sage ich ihr.
»Ich stecke mein Baby da nicht rein«, wiederholt Joy.
»Die Grenzposten überprüfen lebende Tiere nicht gerne, besonders wenn sie schmutzig sind und stinken. Und wenn die Kleine anfängt zu weinen, ist es besser, sie ist bei den Schweinen, damit man sie nicht hört«, erklärt mein Vater, der nur behilflich sein will, aber etwas Schlimmeres hätte er kaum sagen können.
Ich habe schon einmal mit angehört, wie sich Joy und Z. G. auf eine Art und Weise unterhielten, die ich nicht verstand. Ich wende mich ihm hilfesuchend zu.
»Joy, weißt du noch, wie wir vor ein paar Tagen im Atelier über die Unterschiede zwischen der Liebe zu einem Land, der Liebe zu einem Menschen und der allumfassenden Liebe gesprochen haben?«, fragt er.
Joy nickt, doch sie ist so verdammt stur, dass sie ihm wahrscheinlich gar nicht richtig zuhört.
»Aber was ist mit der Liebe, die du für dich selbst und für dein Kind empfindest?«, fragt er. »Schuldest du es nicht deiner Tochter, ihr eine glückliche Zukunft zu ermöglichen?«
Wir betrachten Joys Miene, während sie darüber nachdenkt. Sie ist an dem Punkt, an dem ich gestern im Taxi war. Ich wollte Dun nicht zurücklassen, aber ich musste es.
»Darf ich wenigstens mit ihr auf dem Laster fahren?«, fragt sie schließlich.
»Bist du bereit, in einen Korb zu steigen?« Der Cousin sieht sie an, als wäre sie völlig verrückt.
»Wir haben nicht viel Zeit«, erwidert Joy schroff. »Wir müssen unbedingt raus.«
Joy legt ihr schlafendes Baby zu den Ferkeln in einen Korb. Durch die Seitenöffnungen lugen kleine Schnauzen.
Ta-ming ist weiß wie ein Blatt Papier. Mir fällt nichts zu sagen oder zu tun ein, um ihn aufzumuntern. Plötzlich muss ich an meine
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