Tod auf dem Drahtseil (Roman) (German Edition)
von Pat zu tun haben musste, wenn nicht vielleicht sogar mit den ganzen ungeklärten Vorfällen hier im Zirkus. Dafür war sein Verschwinden jetzt zu auffällig.
„Verdammt, das hat niemand geahnt“, zischte Cameron, dem auch so langsam ein Verdacht kam. Er stand kopfschüttelnd da, während er seine Blicke weiter schweifen ließ, ob er Cedric doch noch irgendwo entdecken konnte.
Doch der war und blieb wie vom Erdboden verschluckt.
Jetzt aber kam Cedrics Freundin aus dem gemeinsamen Wohnwagen heraus, in einen knappen Morgenmantel gekleidet, und schaute sich um.
Keith reagierte schnell. „Wissen Sie, wo O’Malley sein könnte? Ist er heute Nacht weggewesen? Nun reden Sie doch schon! Es geht um Leben und Tod!“
Sie schüttelte den Kopf, hielt dann jedoch inne. „Er kam heute Nacht mit lehmverschmierten Schuhen und feuchter Kleidung zurück, und ich weiß wirklich nicht, wo er gewesen sein könnte. Aber es ist ungewöhnlich, das ist schon mal klar. Dann hat er sich rasch umgezogen und ist hinausgelaufen zu Ihnen.“
Keith, der die ganze Gegend um Dumbarton kannte wie seine Westentasche, stutzte einen Augenblick und überlegte. „Die Höhlen!“ rief er dann plötzlich. „Die alten Höhlen, unten am Fluss!“
*
Cameron hatte jetzt Geschmack daran gefunden, den Beamten zu begleiten. Jetzt wollte er es sich nicht nehmen lassen, Keith auch weiterhin bei der Suche zu unterstützten, und so folgte er ihm zu seinem Wagen.
Doch da stand schon jemand, den keiner der beiden Männer kannte. Ein hochgewachsener, vornehm aussehender Mann mit grauen, perfekt geschnittenen Haaren und durchdringenden blauen Augen lehnte an der Motorhaube und schaute ihnen ungeduldig entgegen.
„Man hat mir gesagt, dies wäre der Wagen von Inspector Lamont. Sind Sie der Inspector? Ich bin Lord Ashbury, der Vater von Lady Patricia. Wo ist meine Tochter?“
Cameron schnappte nach Luft, als er von Pats Herkunft hörte, aber für Verwunderung war jetzt keine Zeit. Es war ein denkbar schlechter Augenblick für diese Ankunft, wie Keith fand, denn die Frage nach dem Verbleib der jungen Frau konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten. Und doch war es Keith gewesen, der Lord Ashbury benachrichtigt hatte.
Beide Männer hielten sich dann auch nicht lange mit Formalitäten auf, sie schüttelten sich kurz die Hände, und Keith erklärte in wenigen Worten was geschehen war und wohin sie jetzt wollten.
„Ich komme mit!“, bestimmte Seine Lordschaft, und gegen eine Anweisung dieses Mannes gab es keinen Widerspruch.
*
Sie fanden Pat erst um die Mittagszeit herum.
Nachdem Keith seine Kollegen vom Dezernat verständigt und auch die Kollegen von der uniformierten Polizei aufgescheucht hatte, machten sich zwei ganze Hundertschaften auf die Suche nach der jungen Frau. Die Höhlen waren ein sehr ausgedehntes Gebiet, das niemand genau kannte und über das es keine Karten gab, nach denen man hätte planmäßig suchen können. Außerdem gab es gefährliche Abschnitte und unzugängliche Strecken, die die Suche erschwerten.
Aber schließlich waren es doch Keith und Pats Vater, die das Glück hatten, die junge Frau zu finden, begleitet von Cameron, der es zu einer persönlichen Angelegenheit gemacht hatte, Pat zu finden.
Aus einer Höhle drang leises Wimmern, und fast hätten die drei Männer es überhört, weil der allgegenwärtige Wind ebenfalls ähnliche Geräusche machte.
Pat lag halb erfroren, weinend und mit einem tiefsitzenden Schock auf dem kalten Stein. Ihr Körper war völlig verkrampft und zu kaum einer Bewegung fähig. Doch nachdem die Fesseln gelöst waren, zwang sie sich zu einigen Bewegungen und bestand dann darauf, auf eigen Füßen zu laufen, ohne die Krankentrage in Anspruch zu nehmen, die Keith mitsamt einigen Sanitätern eilig herbeigerufen hatte.
Mit dürren Worten erzählte sie, was geschehen war und berichtete dann auch, was Cedric ihr gestanden hatte. Pat ging davon aus, dass man ihn verhaftet hatte und er ihren Aufenthaltsort preisgegeben hatte. Dennoch erzählte sie auch, was er für den heutigen Abend plante und schüttelte sich dann vor Erleichterung, weil ja nichts mehr passieren konnte, wie sie dachte.
„Und – habt ihr ihn fest eingesperrt?“, fragte sie dann und blickte in das betrübte Gesicht des Mannes, den sie liebte, wie sie sich längst eingestanden hatte. Es war nur der Gedanke an Keith gewesen, der sie während der scheinbar endlosen Stunden ihrer Gefangenschaft aufrecht erhalten
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