Der Druiden-Schatz
Zuerst empfand ich das Stechen als bösen Schmerz, danach als eine Warnung. Für die Dauer eines langen Atemzuges war ich aus dem Konzept und aus der Realität gerissen worden. Mein Gesicht verzerrte sich. Die rechte Hand, in der ich die Gabel hielt, blieb mitten in der Bewegung stocken. Sie stand auf halbem Wege zwischen der Tischplatte und meinem halb geöffneten Mund.
Nur allmählich ebbte der Schmerz ab, und ich kam endlich dazu, mich um die näheren Umstände dieser »Warnung« zu kümmern. Die Quelle hatte genau dort gelegen, wo das Kreuz vor meiner Brust hing. Eigentlich ein Irrsinn, denn das Kreuz tat mir nichts, es war mein Beschützer und lag wie eine gewaltige Hand über mir. Dennoch hatte es mich malträtiert.
Das mußte seinen Grund gehabt haben.
Natürlich wollte ich ihn herausfinden. Ich schaute mich um. Niemand kümmerte sich um mich. Ich saß allein in einer kleinen, etwas erhöht liegenden Nische an einem Zweiertisch und aß. Dennoch drehte ich mich ein wenig zur Seite, als ich die Knöpfe meines Hemds öffnete und nach dem Kreuz tastete.
Auch bei der flüchtigen Berührung spürte ich, daß sich die normale Temperatur meines Talismans verändert hatte. Warm lag das Metall auf meiner Haut, und es schien auch irgendwie zu vibrieren. Ich streifte die Kette über den Kopf, ließ das Kreuz auf dem Handteller liegen, wobei es durch den runden Tisch vor Blicken anderer gedeckt war und nahm es genauer in Augenschein.
Es hatte seine normale Form behalten. Ich sah die eingravierten Zeichen, an den Seiten die namentlichen Anfangsbuchstaben der vier Haupterzengel, das alles war völlig normal geblieben, bis auf eine sehr wichtige Kleinigkeit.
Mein Kreuz schimmerte grün!
Und das machte mich stutzig. Normalerweise gab es einen leichten Silberschimmer ab, der sich zu einem gleißenden Strahlen verändern konnte, wenn es aktiviert wurde. Daß es grün leuchtete, behagte mir überhaupt nicht. Dennoch ging ich auch davon aus, daß mich das Kreuz hatte warnen wollen.
Ich dachte darüber nach und brauchte mein Gehirn erst gar nicht lange anzustrengen, denn die Lösung kannte ich.
Sie hatte einen Namen.
Druiden-Magie!
Ich nahm das Kreuz, ließ es verschwinden und schaute auf meinen Salat, der, frisch serviert, nun allmählich zusammenfiel, weil er nicht gegessen wurde.
Meine Gedanken drehten sich um das, was ich herausgefunden hatte. Die Druiden-Magie. Was wußte ich von ihr? Wußte ich überhaupt etwas? Ich dachte sofort an Aibon, dieses geheimnisvolle Land, das irgendwann einmal existiert hatte und jetzt verschwunden war. Man konnte es auch als Druiden-Paradies bezeichnen, denn ein jeder Eichenkundige, so wurden die Druiden genannt, schien danach zu streben, Aibon zu erreichen.
Was daran stimmte, wußte ich nicht, denn ich hatte erst einen winzigen Zipfel des Geheimnisses gelüftet.
Auf meinem schmalen Stuhl blieb ich sitzen. Das Kreuz hatte ich in die Tasche gesteckt, niemand sollte es sehen, doch ich wollte sehen, mich umschauen, denn ich wurde das Gefühl nicht los, daß mein Kreuz etwas gespürt oder entdeckt hatte, das von mir noch nicht wahrgenommen worden war.
Ich hatte mich an diesem warmen Sommerabend aus der Wohnung verzogen und war in ein Lokal gegangen, das erst vor wenigen Tagen eröffnet hatte. Es nannte sich City Barbecue. Ein Restaurant für den Kenner mit dem kleinen Hunger, wie man in der Werbung anpries. Steaks und Salate wurden ebenso angeboten wie Filet und Spießbraten. Auch Suppen gab es. Ich aber hatte mich mit einer großen Salatschüssel begnügt und einem kräftigen Bier. Den Salat hatte ich fast aufgegessen, das Glas war noch nicht leer, aber mir war auch der Appetit vergangen und gleichzeitig der Durst.
Das Kreuz hatte mich nicht von ungefähr gewarnt.
Obwohl ich getrunken hatte, spürte ich im Hals ein trockenes Gefühl. Durch die Ereignisse war meine Kehle rauh geworden. Ich vernahm die Stimmen der anderen Gäste zwar, hörte sie aber gleichzeitig nicht, denn ich hatte das Gefühl, innerhalb eines angespannten Schwebezustands zu sitzen.
Wenn mein Blick schräg nach rechts an der Frau mit dem knallroten Kleid vorbeiglitt, sah ich die kleine Bar aus Mahagoniholz. Auf den langen Messingleisten brach sich das Licht der über der Theke hängenden Kugelleuchten. Dort nahm man Platz, wenn man vor dem Essen noch einen Drink nehmen wollte. Zwei Mixer bedienten. Von der Bar aus trieb der Rauch zahlreicher Zigaretten träge in das Lokal hinein, wo er von einer Klimaanlage
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