Tod auf der Koppel
Koppel weggekrochen war.
4
Annabel widmete sich weiterhin dem Mittagessen ihres Sohnes, doch hin und wieder warf sie ihrem Mann einen prüfenden Blick zu. Sie wirkte wie geistesabwesend, bis sie mit einem Mal wieder in die Gegenwart zurückkehrte. »Wie wenn etwas Schweres... Aber was?«
»Ich meine... Wie wenn etwas Schweres über das Gras geschleift worden wäre«, murmelte Jim verwirrt.
»Geschleift? Wie hätte ihn Fatal Lady denn über den Boden schleifen können? War sie etwa gesattelt?«
»Nein, nichts dergleichen. Sie trug nicht einmal Zaumzeug. Sie kann ihn unmöglich weggeschleift haben.«
»Dann... Was meinst du denn nun wirklich?«
Er nahm erneut seine Pfeife zur Hand und unternahm einen vierten Versuch, sie in Brand zu stecken. »Sieh, Annabel«, meinte er schließlich, und seine Stimme klang fast zornig, »es führt zu nichts, wenn wir uns den Kopf zerbrechen. Das ist nicht unsere Aufgabe. Jock ist tot, und nichts kann ihn wieder lebendig machen. Er wurde von einem Pferd getreten, und die Wunde könnte sehr gut von Fatal Ladys Hufeisen stammen. Was außerdem geschehen ist, spielt keine Rolle. Er war in jedem Fall tot. Vielleicht ist jemand vorbeigekommen und hat ihn gesehen, hat ihn herumgedreht, ihn ein bißchen hin- und hergeschüttelt und ist dann erschrocken weggelaufen. Ja, so dürfte es gewesen sein. Vielleicht wollte der Unbekannte ihm helfen, und als er merkte, daß Jock tot war, ist er Hals über Kopf davongestürzt. Ganz sicher ist es so gewesen.«
Jim redete zuviel, und er wußte das. Ohne ihn zu unterbrechen, hörte Annabel ihm zu. Als er zu Ende war, stand sie auf, stellte James’ Teller in die Spüle, gab ihm einen Apfel und sagte dann: »So war es bestimmt nicht. Und du weißt es auch ganz genau, Jim. Du bist ganz durcheinander. Irgend etwas stimmt nicht an der Geschichte. Das paßt alles nicht zusammen. Fatal Lady hat noch nie in ihrem Leben nach einem Menschen ausgeschlagen, und Jock wäre der letzte gewesen, den sie angegriffen hätte. Sie fürchtet sich vor Drahtzäunen und macht immer einen weiten Bogen um sie; doch jetzt soll sie unmittelbar neben dem Zaun gestanden haben, um nach Jock auszuschlagen. Jock ist vor ihr weggekrochen; aber er muß auf dem Rücken gekrochen sein. Das ist doch alles Unsinn und kann gar nicht stimmen.«
Jim sah ganz unglücklich aus. »Du hast ja recht. Das ist alles verkehrt. Aber wir müssen die Aufklärung der Polizei überlassen. Und die hat es gar nicht gern, wenn sich unbefugte Leute einmischen. Außerdem wäre es merkwürdig, wenn sie nicht ebenfalls auf diese Ungereimtheiten stieße. Schließlich besitzt sie genug Erfahrung in solchen Dingen. Wir sollten uns da besser raushalten, Annabel, vor allem jetzt, da du nicht ganz auf der Höhe bist. Wir wollen hier in der Gegend keinen Aufruhr verursachen.«
»Wir wollen aber auch nicht, daß ein tödlicher Unglücksfall unaufgeklärt bleibt. Wir wollen nicht, daß das freundlichste Pferd von der Welt als Mörder angesehen wird, wenn es schuldlos ist. Wir wollen ordentliche und gerechte Verhältnisse, Jim.«
Endlich war es heraus. Er hatte schon die ganze Zeit über gewußt, daß er sich nicht vor der Sache drücken konnte. Er sah seine Frau an, ihren schwangeren Körper, das schmale Gesicht, die dunklen Ringe unter den Augen und verwünschte sich im stillen. Zwar war Annabel gesund und kräftig; aber in zwei Wochen sollte das Kind zur Welt kommen, und Aufregungen waren das Schlechteste, was ihr in diesem Zustand zustoßen konnte.
»Wir können die Sache nicht auf sich beruhen lassen, Jim«, fuhr sie fort.
»Aber du weißt ganz genau, wie sehr ich Aufregungen und jedes Aufsehen hasse. Und du liebst doch ein ruhiges Leben genauso wie ich.«
Sie lächelte flüchtig. »So könnte meine Familie sprechen. Aber zu uns paßt das nicht... Wir müssen etwas unternehmen. Jim, sei nett, reite zurück und nimm die Stelle, wo du Jock gefunden hast, noch einmal genau unter die Lupe. Vielleicht hast du etwas übersehen. Und dann solltest du mit Sergeant Millar sprechen.«
»Aber das ist doch vollkommen überflüssig! Der Sergeant war doch bereits da. Er hat alles untersucht. Ich kann doch der Polizei nicht sagen, was sie zu tun hat.«
»Aber du kannst die Sache auch nicht mit Stillschweigen übergehen. Hieße das nicht, Beweismaterial zu unterschlagen? Und selbst wenn es das nicht wäre — du hättest doch für alle Zeiten ein schlechtes Gewissen.«
Er seufzte. Instinktiv spürte er, daß es mit
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