Tod auf der Koppel
wir ihn auf die Bahre hoben. Erinnern Sie sich, daß er voller Grasflecke war? Und zwar auf dem Rücken, nicht etwa vorn! Jemand muß Jock auf dem Boden geschleift haben — und zwar schon Stunden vorher.«
Jim nickte zustimmend. »Ich habe schon mit Annabel darüber gesprochen. Mir ist das auch erst später aufgefallen... Meine Frau und ich haben übrigens vor kurzem beschlossen, daß ich noch einmal hinreite und alles genau untersuche. Anschließend wäre ich zu Ihnen gekommen. Annabel hat sich nämlich an noch etwas erinnert: daß Fatal Lady vor jedem Drahtzaun zurückscheut. Sie hat sich nie unmittelbar am Zaun aufgehalten. Das macht die Angelegenheit noch rätselhafter.«
»Das habe ich nicht gewußt. Wirklich mysteriös.«
»Eigentlich habe ich ja nicht mit Ihnen darüber reden wollen, Sergeant. Ich hasse es, dunkle Geschichten aufzurühren. Aber ich hatte mich gerade dazu aufgerafft, als Annabels Eltern bei uns aufkreuzten. Sie können eine Uhr nicht wiederfinden. Meine Schwiegermutter verliert ständig etwas. Sie sind vor wenigen Minuten gegangen.«
»Ich habe sie auf der Straße getroffen. — Kurz und gut, Jim, ich habe die ganze Sache zu Protokoll gegeben, und jetzt schicken sie einen Kriminalinspektor aus der Stadt. Es kann gar nicht mehr lange dauern. Inzwischen wollen wir uns die Unglücksstelle noch einmal ansehen. Ich kann mir überhaupt keinen Reim auf die Sache machen. Und trotzdem müssen wir auch der kleinsten Spur nachgehen.«
»Selbstverständlich. Ich komme gern mit. Ich möchte bloß noch Annabel Bescheid geben.«
Annabel war völlig einverstanden, daß Jim den Sergeanten begleitete, sie schien sogar erleichtert darüber. Auch die Tatsache, daß sich ein Kriminalinspektor aus der Stadt um den Fall kümmern würde, trug zu ihrer Beruhigung bei. Jetzt kam die Sache wenigstens in bewährte Hände.
Millar fuhr schnell und vorsichtig und sagte eine ganze Weile nichts. Dann fragte er unvermittelt, wobei er weiter aufmerksam nach vorn blickte: »Wer erbt eigentlich das Geld des alten Mannes? Er hinterläßt eine ganze Menge. Sie hatten doch keine Kinder, oder?«
»Nein. Er war froh, daß er keine Verwandten hatte, die tagaus, tagein an seinem Rockzipfel hingen und ihn ständig um Tips für Pferderennen anbettelten. Er hatte nur Simon.«
»Nur Simon«, wiederholte Millar nachdenklich.
Jim meinte: »Simon ist kein Schnorrer. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er jemals in seinem Leben eine Fünf-Pfund-Note von seinem Onkel bekommen hat. Simon liebt seine Unabhängigkeit.«
»Aber er ist schlecht bei Kasse. Ziemlich schlecht sogar. Seine ganze Zeit vergeudet er mit Experimenten. An der Idee ist ja im Grunde nichts auszusetzen. Aber es wäre gescheiter, er überließe solche Forschungen dem dafür eingerichteten wissenschaftlichen Institut. Die Leute dort werden schließlich dafür bezahlt. Simon ist so gut wie bankrott. Das ist kein Geheimnis.«
»Ich wette, seine gesamten Ersparnisse sind für seine Arbeit draufgegangen. Aber Schulden hat er bestimmt nicht gemacht. Dafür ist Simon zu ehrlich.«
»Auch die ehrlichsten Männer können in die größten Schulden geraten, wenn sie von einer Idee besessen sind. Bei Simon halte ich das durchaus für möglich.«
»Simon wird sich eines Tages schon zusammenreißen. Er ist ja nicht dumm. Ich weiß, eine solche Arbeit kann einen Menschen förmlich auffressen. Aber Simon wird schon wieder zur Vernunft kommen.«
»Das ist sozusagen nicht mehr nötig, wenn er Jocks Vermögen erbt. Jock hinterläßt soviel Geld, daß Simon seine Versuche noch lange fortsetzen kann. Aber er könnte natürlich auch seine Schulden bezahlen, was vordringlich ist.« Millar fuhr langsamer. »Wir sind da«, sagte er. »Am besten ist, wir betreten die Koppel nicht; sonst verwischen wir nur noch mehr Spuren. Vielleicht sollten wir auf den Zaun klettern. Gott sei Dank, alles ist noch genauso, wie wir es verlassen haben. Ich habe schon gedacht, ich kriege einen Anpfiff, weil ich den Platz nicht habe bewachen lassen. Aber woher hätte ich denn wissen können, daß es Ärger geben würde? Nun ja, der Inspektor ist bald da. Er wird den großen Mann spielen und mich einfachen Dorfpolizisten keines Blickes würdigen. Trotzdem wollen wir inzwischen die Unglücksstätte noch einmal genau in Augenschein nehmen.«
5
Sie waren alle gegangen: der Fotograf, der verschiedene Aufnahmen vom »Ort des Verbrechens« geschossen hatte, der Mann, der höchst unzufrieden mit seinem
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