Tod auf der Koppel
tut mir sehr leid, Simon. Jock ist tot.«
Albert trat einen Schritt zurück. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Simon sah ebenfalls ganz bestürzt aus. Jim sah, wie er die Zähne zusammenbiß. Sein Gesicht war ganz schmal und braun, und es hatte mehr Falten, als sie ein achtundzwanzig Jahre alter Mann eigentlich hätte haben sollen. »Er arbeitet zuviel und ißt nicht richtig«, dachte Jim. »Er gehört zu den Leuten, die über ihrer Arbeit alles vergessen.« Er erinnerte sich daran, was Annabel neulich gesagt hatte: »Simon sieht zwar gut aus, aber sein Gesicht hat in letzter Zeit einen harten Zug angenommen.«
»Tot? Wieso? War es ein Schlaganfall?« Simon sprach ganz langsam. »Er war für einen Schlaganfall geradezu vorausbestimmt.«
»Nein, es war kein Schlaganfall. Die Sache ist sehr mysteriös. Ich begreife es selbst noch nicht, aber er muß mitten in der Nacht zu Fatal Lady hinausgegangen sein und sie erschreckt haben. Sie hat offenbar ausgeschlagen und ihn am Kopf getroffen. Er hat die ganze Nacht draußen auf der Koppel gelegen.«
Albert holte tief Luft, und Simon meinte nachdenklich: »Fatal Lady? Aber die würde doch nie...«
»Genau dasselbe habe ich auch gedacht. Aber es ist kein Zweifel möglich. Er hat eine Wunde am Kopf, die nur von einem Huf stammen kann. Doktor Strange hat Jock untersucht — er war schon ein paar Stunden tot. Ich habe ihn gefunden, als ich vorbeiritt. Ich habe sofort gesehen, daß er tot war. Ich wollte einen von euch holen, aber ihr wart beide weg. Dann habe ich den Arzt angerufen und die Polizei.«
»Die Polizei? Wozu das?« Albert hatte endlich die Sprache wiedergefunden.
»Ein tödlicher Unfall. Dafür ist nun einmal die Polizei zuständig«, erklärte Jim geduldig.
»Und sie war schon da?« fragte Simon.
»Ja. Millar war da und hat die Leiche auf das Polizeirevier mitgenommen. Da gibt es so eine Art Leichenkammer. Ich habe Lord geholt, damit er uns hilft, Jock in das Auto zu bringen.«
»Und der Doktor meint auch, daß es ein Hufschlag war?« Simon schien noch immer nicht begreifen zu können.
»Ja. Der Schlag hat die Schädeldecke zertrümmert; er muß sofort tot gewesen sein. Wenn auch...« Jim zögerte. Es fiel ihm nicht leicht, von den deutlichen Spuren im Gras zu berichten, die zeigten, wie Jock noch im Todeskampf versucht hatte, dem Pferd zu entfliehen. Aber Simons dunkle Augen ließen ihn nicht los. »Das heißt, es scheint, als hätte er sich noch ein kleines Stück beiseite geschleppt. Das Gras ist ganz niedergedrückt.«
Albert war noch blasser geworden. Simon merkte es und sagte: »Geh ins Haus, Albert... Wir können es auch nicht mehr ändern. Ich werde mit dem Doktor und der Polizei sprechen. Ich lasse noch die Schafe auf die Weide. Sie können heute ganz gut draußen bleiben. Mach uns etwas zu essen, Albert. Für dich auch etwas, Jim?«
»Simon ist abgebrüht«, dachte Jim. »Er gibt sich nicht die geringste Mühe, auch nur den Anschein von Trauer zu erwecken.« Aber was das anging, so heuchelte Simon niemals irgendwelche Gefühle. »Nein, danke«, erwiderte Jim. »Ich möchte nach Hause reiten, um Annabel die Sache zu berichten. Sie hatte Jock immer sehr gern. Für dich tut es mir leid, Simon. Wenn du mich brauchst, laß es mich bitte wissen.«
Simon nickte geistesabwesend. Dann sah er Jim fest in die Augen: »Ich vermag es immer noch nicht zu glauben, daß Fatal Lady nach ihm getreten hat. Er hat sich doch immer damit gebrüstet, wie lammfromm sie sei. Und dann soll sie ihn angegriffen haben? Das paßt überhaupt nicht zu ihr. Ich kenne Fatal Lady zwar nicht sehr gut, denn bis Jock nach Australien fuhr, durfte ich ihr niemals nahe kommen. Aber im letzten Monat habe ich sie ein- oder zweimal eingefangen, um nach ihren Hufen zu sehen. Sie hat mir kein einziges Haar gekrümmt. Das Ganze ist schon sehr rätselhaft.«
»Sehr. Aber Dalby Lord hat gestern abend noch ziemlich spät mit Jock telefoniert. Dabei hat Jock gesagt, daß er noch auf die Koppel gehen und nach der Stute sehen wolle. Dann hat ihn allerdings Alf Guppy aufgehalten.«
»Alf? Wieso der? Sie waren doch so miteinander zerstritten, daß jeder dem anderen aus dem Weg gegangen ist.«
»Hätte er gewußt, daß Jock zu Hause war, hätte er das sicher auch bleiben lassen. Aber jeder war doch fest davon überzeugt, daß er noch in Australien war.«
»Natürlich«, erwiderte Simon. Er drehte sich um, und während er auf das Haus zuging, sagte er laut: »Trotzdem... Es paßt
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