Tod auf der Koppel
Hufschläge hin... Leider muß ich jetzt rasch zurück, ins Krankenhaus. Ich werde auf der Entbindungsstation gebraucht. Da ist ein Kleines, das nicht länger warten will. Und die Lebenden sind wichtiger als die Toten. Habe ich recht, Dalby?«
Lord nickte. Er stand immer noch auf demselben Fleck, ganz in Gedanken verloren, und starrte auf den Toten. »Was geht ihm bloß durch den Kopf?« dachte Jim. »Überlegt er vielleicht, ob Simon ihm nun Fatal Lady verkauft? Simon ist knapp bei Kasse, und Rennpferde interessieren ihn nicht. Wenn Lord Fatal Lady kauft, wird er sie ein oder zwei Jahre lang trainieren und wieder richtig auf Trab bringen und dann zum Start antreten lassen. Vielleicht kriegt er nun endlich, wovon er immer geträumt hat: ein hervorragendes Rennpferd. Er würde sich kaum darum scheren, was Jock mit dem Pferd vorhatte. Sie waren nicht miteinander befreundet. Aber wer war schon Jocks Freund? Höchstens Annabel und ich standen ihm irgendwie nahe.« Laut sagte er: »Sie mögen recht haben. Trotzdem kann ich nie und nimmer glauben, daß Fatal Lady wußte, wer da bei ihr war. Sie hätte nie nach ihm ausgeschlagen.«
Der Arzt verabschiedete sich eilig, und die übrigen drei Männer schleppten den Toten zum Wagen. Er war nicht besonders schwer. Sie gingen sehr vorsichtig, um nicht zu stolpern. Plötzlich stieß der Sergeant einen überraschten Ruf aus. Nachdem sie Jock, so gut es ging, in den Fond des Wagens gebettet hatten, rief er sie zu sich. »Sehen Sie sich einmal das Gras hier an! Hawkins wurde gar nicht an der Stelle getötet, an der er gelegen hat. Er muß noch ein paar Meter weitergekrochen sein. Sehen Sie hier die Spuren im Gras?« Er hatte recht. Unweit der Stelle, an der sie den Toten gefunden hatten, war das Gras niedergedrückt. »Kaum zu glauben, daß er nach einem solchen Schlag nicht sofort tot war. Aber auf jeden Fall war er wie betäubt. Irgend etwas hat ihn vielleicht noch angetrieben, sich in Sicherheit zu bringen; aber er kam nicht mehr weit, der arme Kerl.«
Jim wandte sich ab. Die Vorstellung, wie der alte Mann mit letzter Kraft vor den wie wild zuschlagenden Hufen davonkroch, war ihm unerträglich. »Man sollte Simon verständigen«, sagte er. »Simon ist sein nächster Angehöriger. Soweit ich weiß, ist er sogar sein einziger Verwandter.«
»Sie haben ihn nicht gefunden?«
»Nein. Er ist heute früh zeitig weggegangen, um zusammen mit Albert Winter, der bei Jock arbeitete, Schafe auszumustern. Das war zwischen ihnen vereinbart. Simon durfte ihn einen oder zwei Tage in der Woche beschäftigen, wenn er ihn brauchte. Aber er mußte ihn für diese Zeit bezahlen. Er bekam von seinem Onkel nichts geschenkt. Ein guter Kerl, Simon! Dieser Unglücksfall wird ihn sehr treffen!«
»Die Erbschaft wird ihm über seinen Kummer hinweghelfen«, meinte der Sergeant trocken. »Hawkins war kein armer Mann. Er hat mit der Stute eine Menge Geld verdient. Das jedenfalls habe ich immer gehört.«
»Das stimmt. Und die Farm ist auch nicht zu verachten. Aber zuerst müssen natürlich die Erbschaftssteuern und die Begräbniskosten bezahlt werden. Und das kostet eine ganz nette Kleinigkeit. Ich reite jetzt zu Simon hinüber. Sie haben inzwischen sicher die Schafe zusammengetrieben. Je eher er es erfährt, um so besser ist es.«
Der Polizeiwagen fuhr davon. Lord ritt zur Rennbahn zurück, und Jim steuerte Simons Farm an. Er drehte sich noch einmal um, und sein Blick fiel auf Fatal Lady, die sich vom Horizont abhob. Eine schöne Bescherung! Er war neugierig, was jetzt aus der Stute werden würde. Wahrscheinlich würde Simon sie verkaufen, um mit einem Teil des Erlöses die Begräbniskosten zu bestreiten. Er hatte Pferde zwar ganz gern, aber das war nicht zu vergleichen mit der leidenschaftlichen Liebe, mit der sein Onkel an Fatal Lady gehangen hatte. Sie würde ihm genügend einbringen, damit er eine Weile in Ruhe seine Versuche fortsetzen konnte. Er schien ja wie besessen von seiner Idee! Jim war ganz sicher, daß Simon Fatal Lady verkaufen würde.
Ein Käufer war ohne Zweifel rasch gefunden. Fatal Lady hatte ein oder zwei Jahre lang die glänzendsten Siege errungen; als Zuchtstute war sie unübertrefflich. Dalby Lord mußte Hawkins glühend um seinen Besitz beneidet haben. Er würde die Stute wahrscheinlich sofort kaufen. Er war ein hervorragender Trainer, und auch als Mensch war er sehr angenehm; nur für Gefühle hatte er nicht viel übrig. Er würde das Letzte aus dem Pferd herausholen, ehe er es
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