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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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das Kirchenbuch aufgeschlagen hatte: der Moment, auf den sie alle seit fast einer Woche gewartet hatten!
    »Einträge!«, sagte Ehrwürden Gowers. Und erzählte von Margret Winchell, die zwei Tage zuvor im Alter von vierundsechzig Jahren in der Gnade verstorben war und am Montag beerdigt würde. Von Charles Benfield und Hariet Stone und dem heiligen Versprechen, das sie sich in zwei Wochen in dieser Kirche geben würden.
    Und er forderte jeden auf, zu sprechen, der einen Grund anzugeben wüsste, aus dem diese beiden nicht zusammengegeben werden sollten – hätte sich aber sehr gewundert, wenn sich daraufhin irgendjemand gemeldet hätte, und war am Ende der bislang bekannten Ein- und Austräge angekommen.
    Gespannte Stille. Noch einmal atmete der bedauernswerte Mann hörbar durch, dann fragte er mit kräftiger Stimme: »Anzeigen?«
    Eine der hinteren Bänke knarrte, als der blasse junge Mann sich erhob. Achtzig Augen wandten sich ihm zu, vierzig Blicke bissen sich an ihm fest. Er war ein gut aussehender Mann Mitte zwanzig, schlank, aber stark, mehr als sechs Fuß groß, schwarzhaarig, die Augen einer Taube im Gesicht eines Falken.
Und die kräftigen Hände des Kohlehauers. Unter anderen Umständen hätte Gowers ihn eine beeindruckende Erscheinung genannt. Jetzt war er tatsächlich beeindruckt. Und wütend darüber.
    »Ja?«, bellte der Pfarrer.
    »Die Geburt eines Kindes!«
    Die Antwort kam leise, aber nicht weniger bestimmt. Die Blicke der Gläubigen wanderten jetzt zwischen den Kontrahenten hin und her, um hinterher jede Schwäche, jedes Schwanken gnadenlos durchhecheln zu können.
    »Name?«, schnarrte Gowers, der befriedigt registriert hatte, dass der Mensch immerhin seinen Hut in der Hand hielt, um seine schwarzen Fingernägel zu verbergen. Aber die Antworten blieben ruhig und sicher.
    »John Augustus Williams.«
    »Aus?«
    »Skye.«
    Ein Schotte!, dachte Ehrwürden Gowers, ich wusste es: ein gottverdammter Hochländer, am Ende noch Presbyterianer! Ohne es zu wollen, wurde der Pfarrer leiser.
    »Name des Kindes?«
    »Joseph Benjamin.«
    Die Gemeinde erstarrte, Taschentücher und Fäuste legten sich auf offene Münder, nur jetzt keine Regung zeigen! Gowers aber wurde noch schwärzer vor Augen. Es war sein eigener Name.
    Bleich geworden sammelte er sich für den letzten Schlag, seine Strafe. Seine Schuld, seine Sünde, bis ins siebente Glied!
    »Name der Mutter?«
    Der gemeinschaftlich eingezogene Atem seiner Herde sog ihm die Frage fast von den Lippen.
    Der junge Mann sagte, jetzt trotzig laut: »Jane Elizabeth Williams. Geborene Gowers.«
    Der Pfarrer schluckte in die Stille hinein, krächzend kam die Eintragung, die er gemacht hatte, von seinen trockenen Lippen: »Am 19. April 1836 steht auf vor dem Antlitz Gottes und den Augen dieser Gemeinde John Augustus Williams aus Skye und zeigt an: die Geburt seines in Sünde empfangenen Sohnes Joseph Benjamin.«
    Er räusperte sich, schaute dann mutig auf, ließ den Blick über die Häupter seiner Herde wandern, ob sich wohl einer trauen würde, ihn in diesem Moment anzuschauen, und sagte dann laut und vernehmlich: »Name der Mutter: Jane Elizabeth Williams, geborene Gowers!«
    Gowers schlug das Kirchenbuch heftig zu, und es knallte, als hätte er auf den Schotten geschossen. Der wich tatsächlich vor Überraschung zum ersten Mal ein wenig zurück. Der Pfarrer donnerte mit blitzenden Augen: »Das macht vier Shilling, Mr. Williams!«
    Der Bergmann, verärgert über sein wenn auch nur flüchtiges Zurückweichen, kam aus der Kirchenbank, versetzte ihr dabei absichtlich einen Tritt, der wie ein plötzlicher Donner über den Köpfen der angsterfüllt schweigenden Gemeinde rollte, und ging dann mit festen Schritten durch den Mittelgang zum Tisch des Kirchendieners an der Tür zur Sakristei. Vierzig Augenpaare bohrten kleine Löcher in seinen Rücken, als er die Strafe für seine Sünde auf den Tisch zählte.
    Er wartete dann unwillkürlich noch eine Sekunde auf das Vade in pacio et non amplio peccare der Ältesten, aber dann fiel ihm wieder ein, dass er ja hier in der Kirche von England stand. Also nickte er dem Pfarrer, der mit weißen Knöcheln sein Kirchenbuch umklammert hielt, noch einmal kurz und ernst zu und ging langsam hinaus.
    Erst als er wieder draußen unter einem taubengrauen Himmel stand, in dem schon eine Spur Frühling spürbar war, tat er, was er sich offenbar für diesen Moment lange vorgenommen hatte. Spitzte die Lippen und begann zu pfeifen, zuerst leise,

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