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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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war George Barclay auch kein wirklicher Junge mehr, sicher schon vierzehn, vielleicht fünfzehn. Und groß für sein Alter.
    »Kann sein, Sir«, sagte er auch prompt etwas frech, »aber ich hatte sowieso vor, sie zu verkaufen.«
    Gowers lächelte. »Wie wär’s, wenn du mir ein bisschen was erzählst und hinterher zwei verkaufst?«
    »Das wär prima, Sir«, sagte George, ergänzte dann aber wie verlegen: »Ich weiß aber gar nicht so viel. Die anderen haben ihn losgemacht, ich hab ihn nur runter an Deck gehoben, nur geholfen dabei.«
    »War das schwer?«
    »Na ja, leicht war er nicht. Aber Pullman und Gore haben ihn abgeseilt, Hand über Hand runtergelassen, ich musste ihn eigentlich nur abnehmen. Und manchmal, wenn er irgendwo hakte … festhing … Ich meine nicht am Hals, wenn er festhing mit Armen und Beinen, so in der Takelage, dann hab ich ihn losgemacht.«
    Bei den schüchternen Bemühungen des Schiffsjungen, den unwürdigen Vorgang möglichst taktvoll zusammenzufassen, hatte Gowers Schwierigkeiten, die betroffene Miene des trauernden Sohns beizubehalten.
    »Gut«, sagte er deshalb. »Das ist für eine Zigarre gut.«
    »Danke, Sir«, sagte George und nahm die Zigarre mit viel größerer Selbstverständlichkeit entgegen als seine wesentlich älteren Kameraden. Entweder konnte er sich gar nichts darunter vorstellen, oder er hatte schon mehr von derlei Luxus gesehen, als man ihm anmerkte. Lächelnd wartete er auf die angebotene zweite.
    Er war ein hübscher Junge, schlank, aber nicht dünn, groß, aber nicht schlaksig. Bei nahezu jeder Bewegung fiel ihm eine schwarze Haarsträhne ins Gesicht, die er dann fortwährend mit der Hand nach hinten kämmte. Seine Augen lagen etwas zu tief, und er schielte ein wenig, dafür hatte er einen schönen Mund, und sein Lächeln hätte man bei einem Mädchen im gleichen Alter reizend genannt. Gowers war lange genug zur See gefahren, um zu wissen, welche Schwierigkeiten der Junge deswegen hatte.
    »Was anderes, George. Hast du vorher mal mit meinem Vater gesprochen? Oder hast du ihn gesehen?«
    »Ja, Sir, er war ja ein paarmal bei Louis in der Kombüse. Und einmal hat er mir’n Penny geschenkt.«
    »Langsam. Wer ist Louis? Was wollte Thom… mein Vater in der Kombüse? Und warum hat er dir was geschenkt?«
    »Louis ist der Koch, Sir. Das heißt: war der Koch, jetzt ist er krank, liegt schon über zwei Wochen flach.«
    »Was wollte mein Vater von Louis?«
    »Hm.« George kämpfte mit seiner Haarsträhne und überlegte seltsam lange. »Ich weiß nicht, Sir, ich war ja nicht dabei. Hab ihn immer nur reingehen sehen. Und der Penny, dafür sollte ich ihm was über das Schiff erzählen. Aber ich weiß ja gar nichts darüber.«
    »Bist du schon lange an Bord?«
    »Nein, Sir. War ja das Komische, nicht viel länger als er, als Ihr Vater, mein ich. Ich bin doch mit Louis gekommen, paar Tage vorm Auslaufen erst. Von der Mermaid .«
    »Gut«, sagte Gowers und gab dem Jungen seine zweite Zigarre. Wieder ein Mädchenlächeln. »Und noch was anderes, George. Du weißt ja, ich bin Journalist …«
    »Nein, Sir, keine Ahnung.«
    »Ich will über das Schiff schreiben, über die Reise.«
    »Richtig für die Zeitung?«
    »Für die Zeitung, genau.« Gowers hielt eine dritte Zigarre in der Hand. »Du kommst doch hier an Bord überall hin, du kennst alle, alle kennen dich. Und darum möchte ich hin und wieder mit dir reden.«
    »Worüber, Sir? Ich weiß doch nichts.«
    »Na, zum Beispiel über die Passagiere, wer sie sind, woher sie kommen, wohin sie wollen …«
    »Warum fragen Sie die nicht selbst?«
    »Oh, die Leute reagieren immer etwas komisch, wenn sie wissen, dass sie in die Zeitung kommen. Die meisten fangen zu lügen an.«
    »Hm.« George grinste und wischte sich jetzt unablässig das Haar aus der Stirn.
    »Also, abgemacht?«
    George lächelte wieder, und diesmal sah man, dass er nicht halb so verlegen war, wie er tat, sondern die Wirkung seines Lächelns genau kannte und nicht zum ersten Mal bewusst einzusetzen versuchte.
    »Abgemacht, Sir!«
     
    »Er hat einmal zu oft gesagt, dass er nichts weiß«, sagte Van Helmont, setzte sich in der Koje auf und steckte sich schon wieder eine von Gowers Zigarren an. »Und für jemanden, der wirklich nichts weiß, hat er sich viel zu leicht bestechen lassen.«
    »Ich denke, er ist es gewohnt, bestochen zu werden«, antwortete Gowers, während er dem aufsteigenden Rauch ein wenig betroffen hinterherblickte. »Fragt sich nur, von wem und

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