Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)
doch schwer. Und es tat weh. Er würde dem nächsten Pony keinen Namen mehr geben.
Das Schleppen war entsetzlich schwer, schlimmer als alles, was ertragen zu können sich Jane jemals ausgemalt hatte. Das Geschirr schnitt ihr ins Fleisch, die Schlüsselbeine drohten zu brechen, die Augen traten aus den Höhlen vor Anstrengung. John Williams hätte seine Frau, Joseph Gowers seine Tochter nicht wiedererkannt.
Auf allen vieren in den schräg aufwärtsführenden niedrigen Stollen kriechend wurde sie zu einer einzigen Zusammenballung von Kraft und verzweifeltem Willen, während bis zu fünf Zentner Kohle, aufgeladen auf den hölzernen Hund und angebunden an Schultern und Rücken, ihren Körper wieder in die Tiefe zu reißen versuchten bei jedem Schritt, dreißig Meter lang. Und nur am Keuchen, Scharren und Stolpern hinter ihr erkannte sie, dass noch zwei Stoßer, Mary-Ann und der elfjährige Jacob Hull, die enorme Last mit ihr in die Hauptstrecke hievten.
Es war ein herrlicher Tag, die Hügel glänzten fett und grün in der Nachmittagssonne, und das Pony wäre gerne gestiegen, gerannt, fühlte die Kraft in den jungen Muskeln. Aber die Männer
hielten es kurz, und so trottete es langsam die immer breiteren Wege entlang. Hob nur manchmal den Kopf und spitzte die Ohren, wenn sie an einer Viehweide vorbeikamen.
Am Horizont wuchs eine hohe, schwarzgraue Landschaft heran. Einer der Männer rauchte.
46.
Endlich hörte sie das Klappern der Wettertür am oberen Ende.
»Tor!«, schrie Jane, und im schwankenden Licht der Davy, die oben auf dem Hund lag und die Strecke vor ihr beleuchtete, wurde die Wettertür aufgerissen, festgehalten von einer kleinen, dreckigen Hand, bis die Schlepper mit ihrer Last durch waren. Ein Kind saß hier, ein sechsjähriges Mädchen in einer Nische des Stollens, zwölf Stunden in fast völliger Dunkelheit, und tat nichts anderes, als die Wettertür auf- und zuzustoßen, damit denen unten die Luft nicht ausging.
Oben angekommen, sagte Jane laut: »Eins!« Schirrte sich ab und sank erschöpft für ein, zwei Minuten auf den Boden der Förderstrecke, lehnte sich an die feuchte Wand. Sie würde auf dieser Schicht noch bis fünfundzwanzig, vielleicht auch bis dreißig zählen müssen.
Sie erreichten die Grube am späten Nachmittag. Kein Grün mehr, die aufgerissene Erde dampfte hier und da einen stinkenden Nebel aus, und der Boden war voller Pfützen, obwohl es nicht geregnet hatte. Der Einkäufer band das Pony an einem rostigen Geländer auf der Rückseite eines hohen Gebäudes an, aus dem unablässig der Lärm von Metall auf Metall drang.
Die Hufe stampften im Schlamm, bald waren alle vier Beine
verdreckt, und das Pony fühlte zum ersten Mal Angst. Wenn es menschliche Stimmen hörte, stellte es die Ohren auf und hoffte, dass Tim seinen Namen rufen würde.
Sie füllten die Kohle in die eisernen Loren, die auf der Hauptstrecke Loch für Loch abfuhren, gezogen von Männern, die schon zu alt, noch zu jung oder auch zu verkrüppelt waren, um vor Ort zu arbeiten.
Am Anfang hatte Jane versucht, die Kinder zum Lachen zu bringen, wenigstens manchmal. Aber die Kinder lachten nie unter Tage. Sprachen auch kaum oder gaben einfach keine Antwort mehr, wenn sie mit ihnen zu reden versuchte. Fragen stellte nach ihren Freunden, nach den Spielen, die sie spielten. Fragen, die sie an das Leben oben, an Luft und Sonne erinnern sollten. Aber die Kinder blieben stumpf und stumm.
Jane hatte die Erinnerungen an ihr früheres Leben, an ihre Bücher, an die Zeit mit John. Daran dachte sie, versuchte sie zu denken. Sie wusste nicht und konnte sich nicht vorstellen, an was die Kinder dachten im Berg.
Der Hund war abgeräumt, und wortlos krochen die drei Kohleschlepper wieder hinunter, wo Beth eine zweite Ladung schon aufgefüllt hatte. Noch elf Stunden.
Sie zogen dem Tier einen Futtersack über Maul und Augen, und trotz seiner Unruhe begann es, ein wenig zu fressen. Sie fesselten seine Beine, damit es nicht zu wild ausschlagen konnte, und legten ein Hebegeschirr unter seinen Bauch, seine Rippen, befestigten den Flaschenzug auf seinem Rücken.
Die Ketten strafften sich mit einem leisen Klirren, und das Pony wurde hoch in die Luft gehoben. Es pisste vor Angst, als es keinen Boden mehr unter den Füßen spürte. Einige Männer lachten.
Bei der Ausfahrt roch man es. Blut, frisches Fleisch, Gekröse. Jane hatte schon davon gehört, dass in den oberen Sohlen eines der Ponys gestürzt war und sich ein
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