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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Bein gebrochen hatte. Die Tiere hielten nie länger als zwei, drei Jahre durch, schon nach sechs Monaten waren die meisten blind.
    Man hatte gewartet, bis der Ersatz da war, und dann, Sekunden nach Schichtende, hatten sich die Frauen mit Messern und Beilen auf das sterbende Tier gestürzt und es binnen Minuten bis aufs Gerippe zerlegt.
    Bei einigen Familien würde es heute ein Fest geben im Dorf. Bei anderen musste es länger reichen, die Letzten kochten die Knochen aus. Schwarz, mit blutigen Händen, aber leuchtend gebleckten weißen Gebissen tauchten sie aus der Tiefe auf, hier einen Teil Eingeweide, da ein Stück Fleisch in den Armen, wie eine Rasse besonders grausamer Raubtiere.
    Ihre neue Beute in zwei, drei Jahren hing hoch über ihren Köpfen und schlug nur noch wenig mit den Beinen aus, dann wurde es hinuntergelassen. Jane Williams streckte sich müde in den Strahlen der Sonne, die Tims Pony heute zum letzten Mal gesehen hatte.

47.
    Edward Bell hasste es, die kleineren Besitzungen des Britischen Empire in der Karibik abzuklappern. Aber da die Marine Ihrer Majestät im Augenblick keine größeren Kriege führte, musste man froh sein, überhaupt ein Schiff unter den Füßen zu haben. Zehn Jahre auf Halbsold seit dem Feldzug gegen Russland hatten den Mann zermürbt.
    Natürlich wusste er, dass all diese Inseln eine wichtige strategische Bedeutung besaßen, aber – mein Gott! Hier fünfzehn
Soldaten anlanden, um Englands koloniale Ansprüche militärisch zu unterstreichen; dort einen bedauernswerten Ministerialbeamten absetzen, der ein Jahr lang die Kopfzahlen der westindischen Hühner, Schweine, Ziegen Ihrer Majestät überprüfen würde; ein paar Kaufleute, Missionare, sogar eingeborene Händler von Insel zu Insel schaffen, wie ein irischer Fährschiffer! Und das alles in überaus tückischen Gewässern, bei manchmal stündlich wechselnden Winden und einem Himmel, der einen im einen Moment an- und im nächsten auslachen konnte.
    Der Erste Offizier war dieses Leben gründlich leid: Antigua noch und Barbados und Trinidad, das Fieberland Britisch-Guayana und dann endlich die offene See!
    Auch John Gowers war schlechter Stimmung. Die Ermittlung ging nicht voran, die Passagierliste war bald abgearbeitet: Die einen kamen nicht in Frage, die anderen gingen von Bord. Interessant war eigentlich nur noch eine indische Reisegruppe, die die drei Kabinen belegt hatte, zu der irgendein barbarischer Schiffszimmermann der Ostindischen Kompanie die ehemalige Heckgalerie des großen Linienschiffs umgebaut hatte. Hier, wo drei Generationen Admirale in die untergehende Sonne siegreicher Tage geblickt haben mochten, waren jetzt zwei der niedrigen Türen ständig verschlossen, und die drei Räume waren durch schmale Verbindungstüren zu einer Kabinenflucht geworden.
    Gegenüber, im ehemaligen Wohn- und Empfangsraum der Flottenchefs, residierte der dritte Lord Eden, links und rechts den Gang hinunter der dicke Merriwell, der verstorbene Gouverneur von St. Helena beziehungsweise seine Tochter und einige britische Offiziere. Es war, verglichen jedenfalls mit den Kabinen im zweiten Achterdeck, der in jeder Hinsicht beste Teil des Schiffs.
    Von den merkwürdigen Indern hatte sich bislang allerdings nicht mehr als ein einzelner Diener regelmäßig gezeigt. Der war zwar ein höchst eindrucksvoller Mann, fast zwei Meter groß und dabei dünn wie ein Stock, sprach allerdings kein Wort Englisch oder tat jedenfalls sehr gekonnt so. Immer in düsterer, schweigender Würde, auch wenn er das Kochgeschirr ausspülte, die Nachttöpfe leerte oder Wasser holte, hatte Gowers über diesen Mann noch nicht mehr herausgefunden als das, was er instinktiv spürte: dass er viel gefährlicher war, als er aussah, eigentlich mehr ein Leibwächter als ein Diener. Die mysteriöse Eintragung im Quartierbuch: Mrs. M. W. und Begleitung, von Portsmouth nach Bombay , trug vielleicht zu diesem Eindruck bei, vielleicht aber auch nur seine nach zwei Wochen fruchtloser Investigation überreizte Fantasie.
    Seine einzige wirkliche Spur blieb Louis Vivés, und der lag mittlerweile in einem Delirium, aus dem er höchstwahrscheinlich nicht wieder auftauchen würde. Das war zumindest Van Helmonts Meinung, der sich bereitwillig von Gowers auf den Kranken hatte ansetzen lassen. Ansonsten war die Northumberland leider nicht New York, und abgesehen von den unregelmäßigen und mit Vorsicht zu genie-ßenden Nachrichten, die George Barclay ihm verschaffte, konnte der Investigator

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