Tod Auf Der Warteliste
auf der Parallelspur herüberschaute, die Hände in Wildlederhandschuhen auf dem Lenkrad liegend.
»Du wirst den Rest deines Lebens leiden«, murmelte Ramses.
Und dann überwältigte ihn endlich der Schlaf.
Gäste
Proteo Laurenti sah auf die Uhr und stand auf. Der Fluch der nahen Wege. Seit er sein Büro in der Questura bezogen hatte, waren es immer nur ein paar Meter zur nächsten Sitzung, und er kam fast immer zu spät.
Einen Meter hinter dem Polizeipräsidenten betrat er den Sitzungssaal, in welchem die Vertreter aller in der Stadt versammelten Ordnungskräfte um den Tisch saßen. Carabinieri-Offiziere, die Herren von der Guardia di Finanza, die beiden Chefs der Polizei-Sondereinheiten, der Kommandant der Stadtpolizei sowie Ettore Orlando und sein Stellvertreter von der Küstenwache und schließlich Laurenti und sein Chef.
»Dies ist die letzte Sitzung in dieser Sache, meine Herren«, sagte der Questore. Auf dem Tisch vor ihm stand ein verschlossener, grauer Karton. »Ab heute abend wird’s ernst. Wir können Gott danken, daß es nur ein kleiner Gipfel sein wird, nachdem die deutschen Minister alle abgesagt haben – auch wenn das für unsere Regierung und die Stadt natürlich schade ist. Aber wenigstens wir haben es dafür ein bißchen leichter.«
Bis vor kurzem sprachen die Medien noch vom großen italienisch-deutschen Gipfeltreffen, einer mehrtägigen Konferenz über die Zusammenarbeit der beiden Länder, das für die ersten Märztage angesetzt war. Mißklang kam auf, als der Chef der Lega Nord wieder einmal einem seiner verbalen Ausfälle erlag, »Europa fascista« schrie und die EU als »Sowjetunion des Westens« bezeichnete. Daraufhin fiel vier deutschen Ministern zufälligerweise eine Woche vor dem Gipfeltreffen ein, daß in ihren Terminkalendern keine Luft war für das seit langem vereinbarte Treffen mit den italienischen Kollegen. In den beiden Hauptstädten deutete man dies als stummen Protest der Deutschen gegen die aktuelle römische Regierung, doch versuchten die beiden Regierungschefs, die Sache so gut wie möglich zu übertünchen. Sie würden sich also alleine treffen, für ein paar Stunden und nur in Begleitung von je einem Staatssekretär.
»Die Absperrung verläuft wie die letzten Male auch«, fuhr der Questore fort. »Die Wahrscheinlichkeit, daß Triest morgen zum Ziel eines terroristischen Anschlags wird, ist zwar gesunken, aber nicht aus der Welt. Die Türkei ist unser Nachbarland geworden, vergessen Sie das nicht! Wenn via Istanbul tonnenweise Heroin aus Afghanistan über den Seeweg zu uns findet, dann ist dies auch für Terroristen möglich. Berlusconi hat sich nicht als Freund der Islamisten gezeigt, als er nach dem 11. September sagte, daß er die westliche Kultur der arabischen für überlegen hält. Sie erinnern sich. Einhundertdreißigtausend LKWs nutzen jährlich das Türkei-Terminal. Tendenz rapide steigend, vor zehn Jahren waren es nur dreizehntausend. Wir sind der Brückenkopf Europas zum Nahen Osten und Kleinasien. Die Fahrzeugkontrollen werden erheblich verschärft und LKWs schon vorne am Campo Marzio umgeleitet. Dennoch, man weiß nie. Stellen Sie sich vor, jemand versucht, die Sperre mit einem Sattelschlepper voller Sprengstoff zu durchbrechen. Also seien Sie wachsam!«
Laurenti hielt diese Befürchtungen für schwer übertrieben. Seiner Ansicht nach gab es keinen Grund, daß Terroristen derzeit die Regierungschefs Deutschlands und Italiens im Visier hatten, und erst recht nicht in Triest, wo man seiner Meinung nach gerne mit Superlativen lebte und sich wichtiger machte, als man war.
»Außerdem«, fuhr der Chef fort, »ist immer noch zu befürchten, daß sich die Internationale der Neonazis trotz meines Verbots zu versammeln und eine Demonstration abzuhalten versucht. Das darf auf keinen Fall passieren, und ich bitte Sie, wenn es sein muß, sofort durchzugreifen. Ansonsten das übliche: Ab zwanzig Uhr gilt die Absperrung. Die noch in der roten Zone verbliebenen Autos werden von der Stadtpolizei abgeschleppt und am Molo IV im alten Hafen abgestellt. Wegen möglicher Bomben werden die Müllcontainer schon heute nachmittag weggeschafft und die Papierkörbe in der Zone abgeschraubt. Ab morgen sechs Uhr gilt die Vollsperrung auch für Fußgänger. Die üblichen Kontrollen aller Zufahrten, Scharfschützen auf den Dächern, Panzerwagen an den Kreuzungen, zwei Helikopter kreisen ständig über dem Zentrum, fünfzehn Einheiten sperren das Meer ab, zwei Fregatten der
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