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Tod den Unsterblichen

Tod den Unsterblichen

Titel: Tod den Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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völlig entspannt und friedlich. Er hatte sich einen Wecker gekauft, der sich als eine Frau entpuppte. Er lächelte die niedrige cremefarbene Decke an und streckte sich aus und gähnte. Was für ein fantastisches Geschäft! Was für ein vollkommener Wecker!
    Das ermahnte ihn, und er schaute auf seine Uhr, aber er hatte sie abgelegt, und die Wanduhr hing außerhalb seines Gesichtswinkels. Ach, macht nichts; die Wachhaltetablette würde ihn schon davor bewahren, wieder einzuschlafen. Es war allgemein bekannt, daß die Wachhaltetablette die Zeit schneller verstreichen ließ. Er hatte das Gefühl, schon eine halbe Stunde hier zu liegen, dabei konnten es höchstens fünf Minuten sein; so wirkten sie.
    Dennoch …
    Er kramte in der kleinen untergeteilten Schachtel; zum Glück ließen sie sich leicht herausnehmen; noch eine Tablette – doppelt gemoppelt hält besser.
    Er schluckte sie, lehnte sich wieder zurück und gähnte. Da war etwas an dem Kissen, dachte er …
    Er drehte den Kopf um, schnupperte, atmete tief ein. Ja, da war Locille an dem Kissen, das war es. Locille, die ihren Duft darauf zurückgelassen hatte. Der schöne Duft von Locille, ein schöner Name. Ein schönes Mädchen. Er ertappte sich dabei, daß er wieder gähnte –
    Gähnen? Gähnen!
    Er blinzelte mit den Augen, die viel zu schwer waren, und versuchte, den schrecklich müden Kopf zu drehen. Gähnen! Und das nach zwei Wachhaltetabletten – oder waren es drei oder sechs?
    Die Geschichte wiederholte sich!
    Die roten Tabletten waren zum Wachhalten, die grünen zum Schlafen. Die grünen Tabletten, schluchzte er innerlich, er hatte die grünen genommen! Es hatte ihn erwischt.
    O Gott, jammerte er lautlos – o Gott, warum diesmal? Warum hast du darauf gewartet, mich zu erwischen, bis ich liebte ?
     

9
     
    Der Audio-Assistent starrte versonnen durch die Scheibe in das Aufnahmestudio und summte vor sich hin. Es irritierte Master Carl. Er konnte nicht umhin, der Melodie den passenden Text hinzuzufügen:
     
    Wenn man die zweiten, dritten, fünften Zahlen streicht,
    Hat man das Sieb des Eratosthenes erreicht!
    Vielfache muß man so vertreiben:
    Primzahlen werden übrigbleiben.
     
    Es milderte seinen Ärger nicht, daß er selbst das Lied verfaßt hatte. Die klassische Darstellung der Primzahlen war nicht das Thema dieser Vormittagsvorlesung, sondern die Mengentheorie. Er schnauzte: »Mensch, seien Sie still! Oder gefällt Ihnen die Arbeit hier nicht?« Der Audio-Assistent erbleichte. Er war auf einem Texas aufgewachsen und hatte niemals vergessen, daß er eines Tages vielleicht wieder dorthin zurückkehren müßte. Es stimmte nicht ganz, daß das Summen ihn ablenkte. In Master Carls Alter wußte man, was man tat, oder man ließ es sein, und er wußte es. Er trat genau in dem Augenblick auf, in dem sein Thema anfing, und sagte die Worte, die er immer sagte, während er mit seinen Gedanken bei Cornut war, bei den Wolgrenschen Anomalien, bei seinen privaten Forschungen über das Paranormale, bei – besonders bei den Antworten und Verhaltensweisen jedes einzelnen Studenten seines Studio-Auditoriums. Er bemerkte jedes Gähnen eines schläfrigen Nuklear-Studenten in der äußersten Ecke; er beobachtete besonders aufmerksam den heimlichen Zettelaustausch zwischen diesem Jungen, Egerd, und der neuen Frau seines Schützlings, Locille. Er hatte nicht vor, etwas dagegen zu unternehmen. Er war Locille dankbar. Wie ein guter Wachhund konnte sie wahrscheinlich dem einzigen Mann der Fakultät, dem Carl die Möglichkeit einräumte, ihn je zu ersetzen, das Leben retten.
    In fünf Minuten hatte er den Life -Teil seiner Vorlesung beendet und verließ, seinen harmlosen Wünschen nachgehend, das Studio. Auf dem Bildschirm hinter ihm tanzten aufgezeichnete Figuren und sangen Die Ballade der Mengen.
     
    Das »S« für eine Menge steh,
    in der zwei Elemente (a und b)
    und deren Summen sich befinden.
    Hier brauchen wir uns nicht zu schinden
    mit der Verknüpfungsop’ration;
    schon abgeschlossen die Aktion.
    Der Lehrsatz ist nun klar uns schon:
    Assoziativ verknüpft ist »S« durch Addition.
     
    Er verbannte das Seminar aus seinen Gedanken und holte eifrig den Stapel Fotos aus seiner Mappe. Er hatte heute nacht unruhig geschlafen und war früh aufgestanden, um sich seinem neuesten Hobby zu widmen. Er hatte viele. Er brauchte viele. Carl war keineswegs unzufrieden, konnte sich keine Welt vorstellen, in der er kein Mathematiker gewesen wäre, aber es war alles andere als ein

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