Tod eines Lehrers
zusammen. Mittlerweile hatte sie es zur Oberkommissarin gebracht, und spätestens mit vierzig würde sie zur Hauptkommissarin befördert werden. Sie hatte eine sanfte, gutmütige Art und war im Kommissariat der ruhende Pol. Selbst in den hektischsten Situationen behielt sie den Überblick und schaffte es, auch mit den miesesten Zeitgenossen zurechtzukommen, indem sie immer freundlich war und jeden gleich behandelte. Selbst Greulich hatte gegen ihren Charme keine Chance. Für Brandt war sie genau das Gegenteil von diesem Schleimer und Kriecher, dessen Mobbingaktivitäten er aufmerksam verfolgte. Noch hielten sich diese in Grenzen, aber dennoch würde er ihm bei Gelegenheit eine Lektion erteilen.
»Was hast du denn mit Greulich vor?«, fragte sie auf dem Weg zum Auto. »Der ist ja wie wild am Recherchieren.«
»Ich will ihn einfach nur aus dem Weg haben. Er ist überzeugt, dass es ein Ritualmord ist, und diese Überzeugung kann ich dem armen Jungen doch unmöglich zerstören. Ich hab ihm lediglichgesagt, er soll alles, was mit Satanisten, Hexen und so weiter zu tun hat, raussuchen und sich nach auffällig gewordenen Personen umsehen. Damit ist er erst mal beschäftigt. Er soll die Akten der letzten zehn Jahre bearbeiten.«
»Er ist schon ein Typ, der es einem schwer macht, ihn gern zu haben.«
»Den Kerl werde ich in meinem ganzen Leben nicht gern haben. Dieses Arschloch geht mir einfach nur tierisch auf den Senkel. Ich begreife gar nicht, wieso Bernie ihn überhaupt noch in unserer Abteilung arbeiten lässt.«
»Wie oft soll ich dir das noch sagen, der Junge hat Rückendeckung von ganz oben. Und ich wette mit dir, die Klein weiß längst über den Fall Bescheid, zumindest hat unser lieber junger Kollege vorhin schon telefoniert, vorher aber seine Tür zugemacht. Ich hab zwar nur ein paar Wortfetzen mitbekommen, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass es die Klein war.«
»Dieser kleine stinkende Bastard!«, fluchte Brandt. »Seit der in unserer Abteilung ist, läuft nichts mehr so rund wie früher. Ich fühl mich ehrlich gesagt nicht mehr sonderlich wohl. Manchmal würde ich am liebsten den ganzen Kram hinschmeißen.«
»Jetzt mach’s aber mal halblang! Du wirst dich doch von so einem wie ihm nicht unterkriegen lassen. Wenn nicht anders, drehen wir das so, dass er irgendwann freiwillig geht.«
»Das schaffen wir nie. Bernie müsste sich was einfallen lassen …«
»Aber solange sich unser junger Kollege nichts Gravierendes zuschulden kommen lässt, so lange sind Bernie die Hände gebunden.«
»Aber ich garantiere dir, wenn der noch einmal hinter meinem Rücken etwas veranstaltet, knall ich ihm eins vor die Birne, und dann ist es mir scheißegal, ob die werte Frau Staatsanwältin mir was reinwürgt. Die Staatsanwaltschaft zu informieren ist die Aufgabe von Bernie oder mir. Irgendwann krall ich ihn mir wirklich, und dann gnade ihm Gott.«
»Ausgerechnet du«, sagte sie mit einem Lachen, das weder spöttisch noch verletzend war, weshalb er ihr auch nicht böse sein konnte, und setzte sich auf den Beifahrersitz. »Er ist jung und unerfahren …«
»Nee, nee, das zieht bei mir nicht. Der ist gerade mal dreißig, war vier Jahre beim Bund und meint die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Merkst du eigentlich gar nicht, was der vorhat?«
»Was denn?«, fragte sie mit Unschuldsmiene.
»Der will uns alle gegeneinander ausspielen, so was lernt man beim Bund. Und jetzt ist Schluss mit dem Thema, sonst gerate ich noch mehr in Rage.«
Auf der Fahrt in die Rechtsmedizin unterhielten sie sich über Brandts Töchter Sarah und Michelle, über die Katze, die sich Michelle so sehnlichst wünschte, und über die schulischen Leistungen der Mädchen.
Nicole Eberl kannte die ganze Ehegeschichte von Brandt, sie hatte mitbekommen, wie er seine Frau kennen gelernt und schon nach zwei Monaten geheiratet hatte, doch die Ehe stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Seine Frau war eine rast- und ruhelose Person, die das wenige Geld mit vollen Händen ausgegeben und sich ein ums andere Mal darüber beschwert hatte, dass Brandt nicht mehr unternahm, um auf der Karriereleiter weiter nach oben zu klettern, obwohl sie genau wusste, dass es nur sehr wenige Stufen bei der Polizei gab. Über A 12 kamen die wenigsten hinaus, manche schafften es auch bis A 13, aber selbst mit dieser Gehaltsklasse waren keine Reichtümer anzuhäufen. Doch Brandt war zufrieden mit seinem Leben und hatte geglaubt, mit der Geburt von Sarah und
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