Tod eines Lehrers
»Warum nicht gleich das BKA oder Europol oder das FBI!«
»Reg dich wieder ab. Die Klein ist auch nur ein Mensch …«
»Und was für einer! Die hat mehr Haare auf den Zähnen als ein Gorilla am ganzen Körper. Und jetzt Schluss damit, ich muss mich auf den Fall konzentrieren.«
Mittwoch, 11.35 Uhr
G eorg-Büchner-Gymnasium. Peter Brandt und Nicole Eberl begaben sich ins Sekretariat, wiesen sich aus und baten darum, den Direktor sprechen zu dürfen. Die Sekretärin sagte, er unterrichte gerade, weil einige Lehrer krankheitsbedingt ausgefallen seien, doch Brandt bestand darauf, dass er aus der Klasse geholt wurde. Die kleine pummelige Frau sah Brandt für einen Moment unsicher an und fragte: »Ist irgendetwas passiert?«
»Das würden wir gerne mit Herrn Drescher persönlich besprechen. Wenn Sie ihn jetzt bitte holen wollen.«
Sie warteten fünf Minuten, bis sie mit einem etwa fünfzigjährigen, sehr jugendlich wirkenden Mann zurückkam, der offensichtlich wenig Verständnis zeigte, seinen Unterricht unterbrechen zu müssen. Er trug einen grauen Anzug, darunter ein blaues Hemd und eine ebenfalls blau karierte Krawatte. Brandt wunderte sich, hatte er doch seit der Einschulung seiner Töchter die jeweiligen Lehrer immer nur in Jeans oder Cordhosen und Pullis oder Flanellhemden angetroffen.
»Drescher«, stellte er sich vor und reichte erst Eberl, dann Brandt die Hand. »Was kann ich für Sie tun?«
»Wir würden uns gerne ungestört mit Ihnen unterhalten. Am besten in Ihrem Büro.«
»Wenn Sie mir bitte folgen wollen, es ist gleich hier vorne.« Er instruierte seine Sekretärin, in den nächsten Minuten nicht gestört zu werden, und machte die Tür hinter sich zu. Er bat die Beamten, Platz zu nehmen, er selbst setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
»Herr Drescher, wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass einer Ihrer Lehrer, Herr Schirner, heute Nacht einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.«
»Bitte was? Schirner?« Drescher sah Brandt mit diesem ungläubigen Wollen-Sie-mich-auf-den-Arm-nehmen-Blick an,während er sich nach vorn beugte, die Hände gefaltet. »Was ist passiert?«
»Das wissen wir selbst noch nicht genau. Er wurde heute Morgen unweit seiner Wohnung gefunden.«
»Das darf doch nicht wahr sein! Ausgerechnet Schirner, einer unserer besten und beliebtesten Lehrer. Deswegen ist er also heute nicht zum Unterricht erschienen. Ich habe mich schon gewundert, denn das ist so überhaupt nicht seine Art, einfach unentschuldigt fernzubleiben. Er ist die Zuverlässigkeit in Person. Seit fast fünfundzwanzig Jahren ist er hier an der Schule, und er war seit drei Jahren mein Stellvertreter. Sein Tod ist ein herber Schlag für die ganze Schule. Er wird nur schwer, ich wage sogar zu behaupten, gar nicht zu ersetzen sein. Herr Schirner war noch ein Lehrer vom alten Schlag, für den sein Beruf gleichzeitig Berufung war. Er genoss sowohl bei den Kollegen als auch bei den Schülern große Beliebtheit, weshalb er auch seit fünf Jahren Vertrauenslehrer ist.« Er lehnte sich zurück, holte tief Luft und fuhr fort: »Diese Nachricht muss ich wirklich erst einmal verkraften. Da denkt man immer, so etwas könnte hier nicht passieren, und dann …«
»Bei aller Beliebtheit, gab es eventuell auch Personen, die ihm nicht so wohl gesonnen waren?«, fragte Brandt.
Drescher schüttelte den Kopf. »Nein, da fällt mir beim besten Willen keiner ein. Wissen Sie, Schirner ist der dienstälteste Lehrer an dieser Schule. Viele kommen, viele gehen. Ich selbst bin auch erst seit sechs Jahren hier, und ich kann nur Positives über ihn berichten. Er wird uns allen sehr fehlen.«
»Dennoch müssen wir den gesamten Lehrkörper befragen und auch die Schüler, die er zuletzt unterrichtet hat. Von seiner Frau wissen wir, dass er Mathematik, Physik und Ethik unterrichtet hat. Ist das korrekt?«
»Ja. Das mag zwar eine seltsame Kombination sein, aber es war ihm wichtig, den Heranwachsenden ethische und moralische Werte zu vermitteln, die in unserer heutigen Welt anscheinendkaum noch zählen. Als er letzten Herbst seinen Fünfzigsten feierte, haben ihm die Schüler einen riesigen Fresskorb und eine Schallplatte geschenkt, nach der er schon seit Jahren vergeblich gesucht hatte. Daran können Sie in etwa ermessen, welchen Stellenwert er bei den Schülern eingenommen hat. Er war nicht nur ein Lehrer, er war ein Vater und ein Menschenfreund.«
»Und doch muss es jemanden geben, der ihn gehasst hat. Manche Menschen tragen viele
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