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Tod Im Anflug

Titel: Tod Im Anflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Nicht ganz geheuer waren ihm die Bewohner des Caravans auf Platz fünfzehn, Siggi und Katharina. Mit Vorliebe schauten sie Tiersendungen, was für Tom im krassen Gegensatz zu dem kleinen gelben Vogel stand, der eingekerkert in ihrem Vorzelt wohnte. Der kleine Kerl schielte immer neidisch auf die frei fliegenden Vögel und pfiff aus purer Verzweiflung überaus traurig nach seiner großen, für ihn unerreichbaren Liebe.
    Unschlagbar aber war das Programm des Caravans auf Platz einunddreißig.
CSI
. Viele Male hatte Tom ein bequemes Plätzchen gefunden und mit Luzie und Alex diese Sendung angeschaut. In gebührendem Abstand, weil dort ein großer Kater mit dem Gehabe eines Rottweilers wohnte. Sein Name war passenderweise Tiger – und Tiger mochte es gar nicht, wenn sich plattfüßige Fremdlinge in seinem Revier bewegten.
    Genau hier, auf dieser Parzelle, hatte er mit Gil Grissom vom
CSI Las Vegas
Bekanntschaft geschlossen. Grissom und sein Team führten auf sehr anschauliche Weise detektivische Spurensuche und Tatortermittlungen durch. Genau so, wie Tom es auch gerne gemacht hätte.
    Seit er Gil kannte, wusste Tom, dass sich die Daktyloskopie mit den Unterschieden von Fingerabdrücken und deren Identifikation befasste, dass Luminol in Kombination mit bläulichem Licht selbst altes, weggewischtes Blut wieder sichtbar machen konnte, und in einem modernen Labor so manches nachgewiesen werden kann, von dem eine normale Gans noch nie gehört hatte. Was DNA war, wusste Tom inzwischen auch. Flügellose, zum Beispiel, waren Säcke voller DNA .
    Auf Platz vierunddreißig ließ er sich dagegen so gut wie nie blicken, obwohl man gerade dort mit viel Weißbrot auf ihn wartete. Die Bewohner Elke und Karl-Heinz hörten ausschließlich Volksmusik – rein gar nichts für einen jungen Ganter, der Crime-Dokus und Krimis schätzte.
    Ganz besonders liebte er aber neben
CSI
die Kult-Serie
Magnum
mit seinem Namensvetter Tom Selleck, die er bei Ede kennengelernt hatte. Knifflige Kriminalfälle auf so obercoole Art zu lösen, wie nur
Magnum
das konnte, das war sein ganz geheimer Wunsch. Noch geheimer als die Tatsache, dass er bei den Flügellosen Fernsehen schaute.
    »Na, Nili, möchtest du noch ein Stückchen?«, unterbrach Ede seine abschweifenden Gedanken.
    Nur zu gerne ergriff er mit seinem Schnabel das ihm dargebotene Stück Brot. Bei Ede fühlte er sich wohl. Rundum.
    Der untersetzte Rentner mit dem grauen Rauschebart war im letzten Jahr eines Tages mit seinem alten Caravan auf dem Campingplatz aufgetaucht und geblieben. Nach einigen Wochen sprach Ede ihn an. Er erzählte zunächst Belangloses, übers Wetter und so, und Tom hörte ihm zu, wenn er Zeit hatte – also keine wichtige Fernsehsendung auf ihn wartete.
    Irgendwann ergab es sich dann, dass Ede an einem warmen Abend samt Fernseher vor seinem Wohnwagen saß und eine der nur noch selten ausgestrahlten Folgen von
Magnum
schaute. Neugierig hatte sich Tom hinzugesellt und mitgeschaut. Das von Ede angebotene Weißbrot verscheuchte ihn auch nicht gerade. Seit diesem Abend liebte er
Magnum
.
    Von da an trafen sie sich regelmäßig und sahen fern. Ede kommentierte die Nachrichtenlage und Tom schnatterte seine Meinung dazu, nur, dass Ede ihn nicht verstand. Tom merkte das an seinen falschen Antworten. Die einfach gehaltene Sprache und Gestik der Flügellosen war nun wirklich nicht schwer zu verstehen – für keinen Vogel. Andersherum hatten die Flügellosen reichliche Schwierigkeiten, die Worte der Gefiederten zu verstehen.
    Nach und nach lernte Tom Ede immer besser kennen. Wusste, dass er eigentlich Eduard hieß, kein Weibchen und kaum Freunde hatte, dass er sich durch Gefälligkeitsarbeiten auf dem Campingplatz seine recht bescheidene Rente aufbesserte und dass seine Wohnwagentür immer offen stand, auch bei Nacht. Und wenn Tom sich zu ihm gesellte, schwadronierte er wie eine ganze Gänsekolonie, viel zu schnell und meist alles auf einmal, als ob er befürchtete, nicht alles loszuwerden. Tom wusste auch, warum das so war, Ede hatte es ihm einmal nebenbei erzählt: Er hatte viele Jahre im Gefängnis gesessen, weshalb, hatte er jedoch nicht verraten. Kein Wunder, dass ihm deshalb Gesellschaft lieb war – und Tom leistete ihm gerne Gesellschaft.
    Nicht zu Unrecht konnte Ede daher annehmen, in Tom jemanden gefunden zu haben, der ihn tatsächlich verstand.

3
    Wie war Neptunus tatsächlich zu Tode gekommen? Was hatte alles in welcher Reihenfolge geschehen müssen, um ihn am Fuße der

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