Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
großen Universitätsausstellung, die nächste Woche im Stadtmuseum eröffnet wird.«
Tom Schifferlis Lächeln war sympathisch und sein Händedruck überraschend fest.
»Was für eine Ausstellung?«, wollte Beaufort wissen.
»Sie heißt Ausgepackt . Darin präsentieren wir sämtliche Sammlungen der Friedrich-Alexander-Universität in interessanten Ausschnitten.« Sein Gegenüber sprach in einem Tonfall, der seinem Namen alle Ehre machte, der Schweizer Akzent war unüberhörbar.
»Sammlungen? Wird denn hier noch mehr gesammelt außer Büchern, Grafiken und Münzen?«
»Fast jedes Fachgebiet sammelt Dinge, die für Forschung und Lehre wichtig sind. Sammeln und Ordnen stehen quasi am Anfang einer jeden Wissenschaft. Wir zeigen Objekte des wissenschaftlichen Interesses, die hier teilweise seit Jahrhunderten gesammelt wurden.«
»Skelette und tote Föten in Formalin und solche Sachen?«
»Zum Beispiel. Die Universität besitzt eine hervorragende Anatomische und Pathologische Sammlung. Aber im Grunde erforschen Wissenschaftler fast alles: exotische Pflanzen, ausgestopfte Tiere, keltischen Bronzeschmuck, griechische Amphoren, Hammerklaviere, Mondkarten, Kopfjägerschwerter, Gesteinsproben, ja selbst Spickzettel von Schülern.«
Das klang faszinierend in Beauforts Ohren. Er hatte etwas übrig für alte, schöne oder kuriose Dinge, die eine Patina oder eine besondere Aura hatten und die Geschichten erzählen konnten. Als passionierter Buch- und Kunstsammler brachte er allen möglichen Sammlungen, die von Experten auf ihrem Gebiet zusammengetragen wurden, seinen Respekt und sein Interesse entgegen. Selbst Playmobilfiguren oder Kaffeesahnedeckelchen konnten einen gewissen Zauber entfalten. Das Sammeln und Jagen waren schließlich Urtriebe, die schon der Steinzeitmensch kannte. Diese Ausstellung würde er sich ganz bestimmt anschauen.
»Wir steuern unseren Anteil natürlich auch dazu bei«, schaltete Harsdörffer sich wieder ein. »Dr. Schifferli ist gekommen, um mit mir die endgültige Auswahl der Exponate zu bestimmen. Aber so ganz können wir uns immer noch nicht einigen.«
»Haben Sie es sich noch einmal überlegt mit dem St.-Gumbertus-Evangeliar?«, wollte der Ausstellungsmacher wissen.
»Auf gar keinen Fall! Das ist unsere wertvollste mittelalterliche Handschrift. Auch wenn die romanischen Illuminationen für das Publikum noch so schön anzuschauen wären. Allein aus konservatorischen Gründen kann ich Ihnen diese Bibel nicht geben. Die bleibt definitiv im Safe. Außerdem wissen Sie ja selbst, wie unzureichend die Sicherheitsvorkehrungen drüben im Stadtmuseum sind.«
»Wer sollte denn eine fünfundvierzig Kilogramm schwere Riesenbibel unbemerkt aus dem Museum schmuggeln? Die kann man sich ja schließlich nicht einfach unter den Arm klemmen.«
Doch Harsdörffer ließ sich nicht umstimmen.
»Bleiben Sie auch hart bei Dürers Selbstbildnis? Das wäre ein Prunkstück in der Ausstellung. Zumal die Wissenschaft ja bis heute darüber rätselt, ob der junge Dürer, als er sich mit trübsinnigem Blick und der Hand am Kopf zeichnete, einSinnbild der Melancholie darstellen wollte oder doch einfach nur Zahnschmerzen hatte. Für Kunstgeschichtler eine beinahe so rätselhafte Frage wie die nach dem Lächeln der Mona Lisa.«
»Beim besten Willen nicht, Herr Dr. Schifferli. Dieses Unikat ist un-er-setz-lich!« Der Professor betonte jede Silbe und verschränkte ablehnend die Hände vor seiner Brust. »Abgesehen davon könnten Sie die Versicherungssumme dafür gar nicht aufbringen. Aber ich werde Ihnen in puncto Dürer entgegenkommen. Sie sollen wenigstens die Stiche erhalten, auf die Sie ein Auge geworfen haben.«
»Und was ist mit den Spitzweg-Zeichnungen, den Vorstudien zu seinem berühmten Bücherwurm -Gemälde? Und was mit den byzantinischen Goldmünzen?«, insistierte Schifferli, die Gunst der Stunde nutzend.
»Sollen Sie bekommen in Gottes Namen. Aber nur, weil Sie es sind und Sie so engagiert dem Ansehen der Wissenschaft dienen.«
Beaufort musste insgeheim schmunzeln. Harsdörffer war ein gastfreundlicher, großzügiger und jovialer Mensch, doch als Kustos benahm er sich manchmal wie ein Zerberus, der die ihm anvertrauten Schätze knurrend bewachte und in jedem Benutzer einen potenziellen Feind sah. Und so ganz Unrecht hatte er damit ja nicht, wie die aktuellen Vorfälle zeigten. Da Beaufort sich einen Überblick über die Schutzmaßnahmen in den Magazinen verschaffen wollte, durfte er den Professor und den
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