Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Pinakothek, der ein Busenfreund unseres Kultusministers ist. Und für den wäre dieser Diebstahl natürlich ein gefundenes Fressen. Er bräuchte nur die hervorragenden Sicherheitsvorkehrungen seines Hauses anzupreisen.«
Harsdörffer als fränkischer Patriot wurde noch eine Spur blasser. »Das müssen wir auf alle Fälle verhindern! Es reicht schon, dass die Münchener die vier Dürerschen Apostel aus dem Nürnberger Rathaus gestohlen haben und nicht wieder hergeben. Unsere Dürerwerke müssen in Franken bleiben.«
»Und Sie würden sich zutrauen, den Dieb zu entlarven und die verschwundenen Bilder und Bücher wiederzubeschaffen?«, wandte sich Roth jetzt an Beaufort.
»Ich will es gern versuchen. Eine Erfolgsgarantie kann ich Ihnen freilich nicht geben.«
»Professor Harsdörffer hält ja große Stücke auf Sie. Aber, sagen Sie: Wie wollen Sie das anstellen?«
»Mit den Hilfsmitteln, die mir zur Verfügung stehen: Wissen, Beobachtung, Recherche, Analyse und Intuition. Denn mit Bibliotheken und Büchern kenne ich mich gut aus. Ich sammle sie nicht nur, ich lese sie auch. Deshalb weiß ich zum Beispiel, dass Ihr hübsches Bonmot vorhin, das ein wenig so klang, als hätten Sie es gerade erfunden, ein Zitat von Charles de Gaulle war.« Der Mundwinkel des Präsidenten zuckte kaummerklich, während Beaufort fortfuhr: »Aber ich bin mir sicher, dass Sie bei Ihren wissenschaftlichen Werken sämtliche Quellen korrekt angegeben haben.«
»Worauf Sie sich verlassen können«, sagte der Präsident mit einem jovialen Lächeln, »Ihre Bildung ist ja wirklich beeindruckend.«
»Nun, Bildung ist das, was sich jeder ohne Beeinträchtigung durch den Schulunterricht selbst erwerben muss«, erwiderte Beaufort. »Das ist übrigens ein Aperçu von Mark Twain«, schickte er lächelnd hinterher.
»Dann plädiere ich doch dafür, dass Sie Ihr Wissen und Ihre anderen Fähigkeiten ganz auf den Diebstahl richten«, entschied Roth. »Sie haben meine volle Unterstützung. Allerdings kann ich Ihnen nicht mehr als zehn Tage Zeit dafür geben, den heutigen Tag miteingerechnet. Denn am Freitag in einer Woche eröffnen wir die große Universitätsausstellung. Wenn die Dürer-Grafik dort nicht hängt, lässt sich der Diebstahl kaum länger verheimlichen. Dann bin ich gezwungen, die Polizei einzuschalten, mit allen nachteiligen Image-Folgen, die sich daraus ergeben.«
*
Dem Archivar
war ziemlich klar
dass das, was er so sammelte
unbemerkt vergammelte.
Doch weil er war
wie er war
ein wahrer Archivar
sammelte er und sammelte
bis er selbst vergammelte.
Jörn Pfennig
Beaufort musste herzlich lachen, als er das Gedicht auf einem vergilbten Stück Zeitungspapier las. Es hing an einem der grauen Metallspinde im Sozialraum für Bibliotheksmitarbeiter. Er war allein in dem Zimmer und nutzte die Wartezeit, indem er sich ein wenig umschaute. Jeden Moment musste ein gewisser Herr Meier erscheinen, der ihn zu einem Rundgang durch die unterirdischen Magazine abholen sollte.
Nachdem sie das Büro des Unipräsidenten verlassen hatten und in den heißen Sonnenschein des Schlossplatzes hinausgetreten waren, war Professor Harsdörffer plötzlich wie von der Tarantel gestochen losgeprescht. Er hatte in dem ganzen Durcheinander völlig sein Hauptseminar vergessen, das er am Mittwochnachmittag immer bei den Germanisten hielt. So waren Beaufort und Frau Krüger-Fernandez allein zur Bibliothek zurückgekehrt und hatten währenddessen die nächsten Schritte besprochen. Sie hatte ihm zugesichert, eine vollständige Aufstellung der gestohlenen Bücher anzufertigen. Da sie die Liste aber nur gemeinsam mit Harsdörffer erstellen konnte, sollte Beaufort diese morgen Vormittag in ihrem Büro abholen. Danach wollte er sich durch die Benutzerkartei des Handschriftenlesesaals der letzten Monate arbeiten, in der Hoffnung, dort auf irgendwelche Spuren oder Unregelmäßigkeiten zu stoßen. Seinem Wunsch, noch heute Nachmittag eine Führung durch die Magazine zu erhalten, aus denen ja die meisten wertvollen Bücher verschwunden waren, hatte die Bibliotheksleiterin nicht selbst nachkommen können oder wollen. Sie habe noch unaufschiebbare Pflichten zu erfüllen, hatte sie beteuert, ihm aber zugesichert, einen ihrer Mitarbeiter damit zu beauftragen. Nachdem sie sich am Handy von zweien ihrer Untergebenen Körbe geholt hatte, war ihre Laune explosiv geworden. Die dritte Angestellte hatte sie gleich dermaßen zusammengestaucht, dass deren Widerstand schon im Ansatz
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