Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
das nicht nennen – Beaufort hatte da so seine ganz peniblen Vorstellungen –, doch an Anne liebte er diese improvisierte Haartracht, bei der die Strähnen ein Eigenleben führten, in diverse Richtungen vom Kopf abstanden unddazu neigten, sich ganz aus dem Clip zu lösen. Auch nach anderthalb Jahren, und das war länger, als die meisten seiner Beziehungen davor gehalten hatten, befand sich Beaufort noch immer in dem Stadium, wo er beim bloßen Anblick der Geliebten in Verzauberung geraten konnte. Sie sah toll aus, war weder Hungerharke noch Vollweib und hatte diese besondere Ausstrahlung. Anne besaß eine ihn immer wieder betörende Sinnlichkeit und Genusslust. Am liebsten hätte er sie jeden Tag um sich gehabt.
»Wenn es dir auf meiner Dachterrasse so gut gefällt, warum ziehst du nicht endlich ganz zu mir?«
Anne reichte ihre Hand über den Tisch und legte sie zärtlich auf seine. »Weil ich meine kleine Wohnung nicht aufgeben will. Ich fühle mich wohl dort. Ich verbringe sowieso schon meine halbe Freizeit bei dir.« Es war nicht das erste Mal, dass Beaufort ihr diese Frage gestellt hatte.
»Aber dann könntest du deine ganze Freizeit mit mir zusammen sein. So viel hast du davon als rasende Reporterin ja nicht gerade zur Verfügung.«
»Ein bisschen Distanz hält die Liebe in Schwung«, schäkerte sie.
»Ich glaube nicht, dass du Angst haben musst, ich würde mich weniger um dich bemühen, wenn du erst mal hier wohnst. Ich würde dich jeden Tag verwöhnen«, versprach er im Brustton der Überzeugung.
Anne nahm noch einen Schluck Weißwein und sah ihm direkt in die blauen Augen. »Genau das ist es, was mir auch ein ganz klein wenig Angst macht. Ich brauche meine Freiheit, das weißt du doch.«
Durch das sanft-melancholische Trompetenspiel des alternden Chat Baker hindurch – auch auf seiner Terrasse hatte Beaufort ein ausgeklügeltes System an kaum sichtbaren Lautsprechern anbringen lassen – hörten sie das Klappern der Töpfe aus der Küche. Kurz darauf erschien Frau Seidl mit zweidampfenden Tellern. Sie servierte mit Meerrettich, Lauch und Äpfeln gefüllte Rindsrouladen und Klöße.
Anne sog den verführerischen Duft ein. »Sieht ja nicht gerade nach einer Rohkostplatte aus«, sagte sie mit gespielter Strenge.
»Sie müssen auch mal was Gescheites essen, Frau Kamlin, wenn Sie so viel arbeiten«, verteidigte die Haushälterin das Abendessen.
»Ja, das gilt vielleicht für mich, aber nicht für diesen Faulpelz da, der den lieben langen Tag nur rumbummelt und kaum Kalorien verbrennt. Ich war heute vor der Arbeit schon schwimmen.« Anne ließ sich den ersten Happen genießerisch auf der Zunge zergehen.
»Immerhin war ich gestern Abend fechten«, verteidigte sich Beaufort und begann ebenfalls zu essen. »Köstlich«, murmelte er.
Frau Seidl strahlte übers ganze Gesicht. »Lassen Sie es sich nur schmecken. Das werde ich jetzt auch tun. Den Nachtisch finden Sie dann im Kühlschrank«, sprach sie und verschwand hinunter ins Erdgeschoss, wo sie ihre Wohnung hatte.
»Warum du ausgerechnet fechten musst für deine Fitness, ist mir ein Rätsel. Das ist so ein Angebersport. Kannst du nicht einfach joggen oder Rad fahren wie normale Leute? Oder von mir aus Tennis spielen, wenn du es ein wenig elitärer haben willst?«
»Zwar soll einer meiner Vorfahren, der Duc de Beaufort, das Tennisspiel sogar miterfunden haben, aber ich fechte nun mal lieber. Das ist übrigens anstrengender als Tennis. Für eine Sportreporterin hast du ganz schön Vorurteile. Und joggen find ich fad. Da passiert ja nichts. Ich hab halt gern Spiel und Spannung, wenn ich mich sportlich betätige.«
»Ich bin ja schon froh, dass du überhaupt was machst. Und der etwas flachere Bauch steht dir prächtig.« Sie kauteein Stückchen Kloß, der genau die richtige Konsistenz hatte. »Morgen gibt’s aber wieder Salat, ja?«
»Meinetwegen. Was ich dir aber noch in puncto Arbeit sagen wollte«, nahm Beaufort den Gesprächsfaden von eben wieder auf. »Ich habe nicht herumgebummelt, wie du meine kontemplative Existenz zu nennen pflegst, ich war heute den ganzen Tag in Erlangen beschäftigt.«
»Und was hast du da getan? Die Antiquariate und Buchläden durchstreift?«
»Was sind wir heute wieder spöttisch.« Beaufort zog eine Augenbraue hoch. »Ich habe kein einziges Buch gekauft, sondern war wirklich fleißig. Obwohl meine Mission tatsächlich mit Büchern zu tun hat.«
Dann erzählte er Anne in aller Ausführlichkeit, was er seit gestern
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