Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
nächsten Kabinettsumbildung Bildungsminister werden würde. Beaufort, der Rothnoch nicht persönlich kennengelernt hatte, freute sich fast ein wenig auf diese Begegnung, auch wenn die Umstände widrig waren. Doch noch musste er zusammen mit den anderen beiden in den unbequemen Ledersesseln im Gang auf den Hochschulleiter warten. An dessen Vorzimmerdame hatte sich selbst Krüger-Fernandez die Zähne ausgebissen. Der Herr Präsident sei gerade in einer wichtigen Besprechung, bei der er keinesfalls gestört werden dürfe, hieß es. Und danach müsse er sofort weiter zu einem ebenso wichtigen Sponsorenmeeting. Erst nach zähen Verhandlungen und einer Mischung aus offensichtlichen Schmeicheleien und versteckten Drohungen wurden ihnen fünf Minuten bewilligt, aber keine Sekunde länger.
Endlich traten zwei Aktentaschenträger im Businessdress aus dem Büro, dicht gefolgt von der Chefsekretärin, die die drei ins Amtszimmer führte. Der Präsident erhob sich hinter seinem repräsentativen Riesenschreibtisch und ging seinen Besuchern ein paar Schritte in dem großen Raum entgegen, dessen hohe Fenster einen Ausblick auf den beschaulichen Schlossplatz gestatteten. Roth trug einen exzellent geschneiderten leichten Wollanzug in Seersucker-Qualität, der bei dieser Hitze genau das Richtige war. Mit einem Zahnpastalächeln schüttelte er zuerst der Dame, danach Harsdörffer und schließlich Beaufort die Hand.
»John Lobb?«, fragte Roth, mit Kennerblick auf dessen kastanienbraune Wing-Tips-Maßschuhe deutend.
»Gieves & Hawkes?«, lautete Beauforts Gegenfrage bezüglich seines Maßanzuges, woraufhin sich der Mund des Präsidenten zu einem noch breiteren Lächeln verzog und die beiden Männer ein paar Insidersätze über die besten Londoner Herrenausstatter zwischen Savile Row und Piccadilly Circus wechselten.
»Ich habe Ihre exquisite Garderobe erst kürzlich in der Sonntagabend-Talkshow nach dem Tatort bewundert«, lobteBeaufort, »und Ihren Sachverstand natürlich auch. Sind Sie noch als Politikberater tätig?«
»Politik ist eine zu ernste Angelegenheit, um sie den Politikern zu überlassen, meinen Sie nicht?« Er lachte über seinen Scherz. »Von Zeit zu Zeit, wenn es mir meine umfangreiche Tätigkeit hier erlaubt, gebe ich hohen Mandatsträgern ein paar hilfreiche Ratschläge. Aber apropos Zeit«, wandte er sich höflich an Dr. Krüger-Fernandez, »was gibt es denn so Dringendes zu besprechen, das keinen Aufschub duldet?«
Während die Bibliotheksdirektorin, assistiert vom Leiter der Handschriften- und Grafiksammlung, die Vorfälle in der UB kurz skizzierte, hatte Beaufort Gelegenheit, den Promipräsidenten noch ein wenig genauer zu studieren. Der Mann war nicht nur klug und gut aussehend, sondern auch geistreich und redegewandt. Allerdings hatte er diese beiden albernen Schmisse auf der Wange, die von einer schlagenden Verbindung herrühren mussten. Und für Beauforts Geschmack, der in Bekleidungsfragen mehr ein Freund des Understatements war, wirkte er ein wenig zu sehr aus dem Ei gepellt. Hinter seiner zur Schau getragenen Stilsicherheit war eine ausgeprägte Eitelkeit nicht zu verkennen. Was ihm fehlte, war die lässige Eleganz des echten George Clooney. Aber machten ein paar kleine Charakterschwächen so einen Überflieger nicht erst menschlich? Alles in allem fand Beaufort den Präsidenten recht sympathisch – er schätzte schlagfertige und scharfsinnige Gesprächspartner. Insgeheim hoffte er nun doch, dass Roth ihn an den Fall lassen würde. Er wusste nicht genau, warum, aber er spürte das Verlangen, ihm mit seinen Fähigkeiten zu imponieren.
»Und warum sollten wir die Polizei nicht alarmieren?«, hörte er ihn gerade fragen, woraufhin die beiden Bibliothekare ihre Argumente vortrugen.
»Ist es nicht vielmehr so, dass nicht nur das Ansehen der Universität im Allgemeinen, sondern auch Ihrer beiderRenommee im Besonderen Schaden erlitte, wenn diese Vorfälle bekannt würden?«, stellte der Präsident mit entwaffnender Offenheit fest. Fast schien es, als hätte er Vergnügen daran, in die erschrockenen Gesichter der beiden Ertappten zu blicken, denn er wartete einige Schrecksekunden ab, ehe er seine Rede fortsetzte. »Aber ich werde Ihnen sagen, warum auch ich dagegen bin, dass das an die Öffentlichkeit kommt. Es gibt seit Langem große Begehrlichkeiten in München unsere Grafiksammlung betreffend. Die gehört nicht in ein Universitätsarchiv, sondern in ein Kunstmuseum, argumentiert der Leiter der Alten
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