Tod im Dünengras
neben der das
Einwickelpapier aufgestapelt war. Hell und gut sichtbar. Ihre Hand tastete
darunter, kurz darauf hielt sie Tove den Brief hin. »Wie ichâs gesagt habe!«
Sie zogen sich hinter eine der Vitrinen zurück, wo sie von der
StraÃe aus nicht gesehen werden konnten. Nicht einmal die Taschenlampe, die
Tove jetzt anmachte, würde von dort zu erkennen sein. Er beleuchtete den
Umschlag, Carlottas Hände, die das Blatt herauszogen und schlieÃlich die
wenigen groÃen Buchstaben, mit denen das Blatt bedeckt war. Ein
computergeschriebener Brief, mit einem Tintenstrahldrucker ausgedruckt. Die
Unterschrift fehlte.
»Ein anonymer Brief«, sagte Tove leise.
Beide starrten sie die Zeilen an, lasen sie, dann noch einmal und
sahen sich schlieÃlich ratlos an. Mamma Carlotta stöhnte. »Das kann doch nicht
wahr sein!«
Tove war nicht minder erstaunt. »Verstehen Sie das?«
Ehe Mamma Carlotta den Kopf schütteln konnte, löschte Tove plötzlich
das Licht seiner Taschenlampe. »Pscht!«
Im selben Moment war nur die Stille zu hören, das Rauschen in den
Ohren. Dann erst kroch das Geräusch heran, das Tove aufgeschreckt hatte. Ein
Knistern, ein kurzes Knarren, dann das Scharren eines Schuhs. AnschlieÃend
wieder Stille, aber eine Stille, die anders war als die Stille vorher. Nun war
sie ein Erstarren, ein Luftanhalten, ein rasender Herzschlag.
Beim nächsten Geräusch schaffte Tove es, die Taschenlampe aufflammen
zu lassen. Und nun sahen sie, dass ihnen jemand gefolgt war.
»Fietje, du Idiot!«, stöhnte Tove. »Wie kannst du uns so
erschrecken?«
Fietje stand da wie ein begossener Pudel. »Ich wollte nur â¦Â«, begann er zu stottern.
»â¦Â uns belauschen? Oder
sehen, ob ich wirklich nichts Wertvolles mitgehen lasse?«
Fietje schüttelte den Kopf. »Ich wollte Bescheid sagen, dass ich was
gesehen habe. Diese Frau, von der die Signora gesprochen hat. Die Kellnerin aus
der Muschel II.«
Schon stand Mamma Carlotta neben Fietje und griff nach seinem Arm.
»Wo haben Sie Susala gesehen?«
»Hier!« Fietje machte eine vage Bewegung mit dem Arm. »Ganz in der
Nähe. Sie ist nebenan eingedrungen.«
»Nebenan? Was meinst du damit?«, fragte Tove.
»Bei Harm Ingwersen. Sie hat es erst an der Tür versucht, die in die
Wohnung führt, aber die war abgeschlossen. Dann hat sie einfach ein Fenster
eingeschlagen und ist in den Gang eingestiegen, der dahinter liegt. Am Ende
gibt es eine Treppe, die in Harm Ingwersens Wohnung führt.«
»Madonna!« Mamma Carlotta stand schon neben der Tür, die Hand auf
der Klinke. »Jetzt ist Harm Ingwersen dran! Sie will ihn auch umbringen!«
Tove hielt sie zurück. »Keine vorschnellen Entschlüsse! Warum sollte
sie das tun?«
»Was weià ich! Vielleicht ist er ihr auf die Schliche gekommen, und
sie will verhindern, dass er zur Polizei geht.«
»Aber warum sollte er â¦Â«
»Ist doch egal, Tove!«, unterbrach Mamma Carlotta ihn. »Diese Frau
ist eine Mörderin! Und wenn sie irgendwo einbricht, führt sie nichts Gutes im
Schilde! Das ist doch klar!«
Sie wollte Fietje zur Seite schieben, der sich ihr in den Weg
gestellt hatte. Aber er wehrte sie ab. »Nicht so schnell, Signora! Ich habe da
drauÃen was gehört. Im Gebüsch in der Nähe des Gartenzauns. Kann sein, dass wir
nicht die Einzigen sind, die gemerkt haben, dass Harm Ingwersen in Gefahr ist.«
Mamma Carlotta dachte angestrengt nach. »Wenn es mein Schwiegersohn
ist, der Susala auf frischer Tat ertappen und verhaften will, dann muss ich
mich vorsehen. Er darf mich hier nicht erwischen.«
»Was sollen wir tun?«, fragte Tove. »Die Polizei alarmieren?«
Mamma Carlotta schüttelte den Kopf. »Besser, wir sehen selbst nach
dem Rechten.«
Tove sammelte alle Kraft, die er brauchte, um zum Kavalier zu
werden. »Ich gehe zuerst. Wenn nach zwei Minuten nichts passiert ist, folgen
Sie mir.«
Mamma Carlotta nickte, Fietje nickte auch. Genau achtzig Sekunden
lang sprachen die beiden kein Wort. Dann entspannten sie sich, weil es den
Anschein hatte, als wäre Tove unbehelligt geblieben. Kein Geräusch drang von
drauÃen herein, alles blieb still.
»Was war nun mit dem Brief?«, flüsterte Fietje. »Haben Sie ihn
gefunden?«
Mamma Carlotta nickte. »Susala ist anscheinend doch nicht Arnes
Geliebte. In dem Brief steht
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