Tod im Dünengras
erfahren hatte, was sie zurzeit bedrückte, dauerte es dann allerdings
noch eine ganze Weile. Doch das war nicht schlimm, Tove hatte ohnehin wenig zu
tun. Es reichte, wenn er darauf achtete, dass die ZigeunersoÃe warm blieb, denn
er hatte Zigeunerschnitzel mit Pommes als Tagesempfehlung auf die Tafel vor der
Tür gesetzt.
Als Carlotta fertig war, bewies er, dass er gut zugehört hatte.
»Welches Motiv hat denn diese Susala?«, fragte er.
Mamma Carlotta räumte ein, dass es nicht auf der Hand lag, auch sie
hatte eine Weile darüber nachdenken müssen. »Aber nun ist es mir klar. Susala
steckte mit Francesco unter einer Decke. Sie ist in sein Geschäft eingestiegen,
nachdem die beiden sich hier auf Sylt wiedergetroffen hatten.«
»So ein Miststück!«, schimpfte Tove, der den finanziellen Verlust,
den die Erpressung ihm eingetragen hatte, noch längst nicht verschmerzt hatte.
»Utta Ingwersen muss ihr auf die Spur gekommen sein«, fuhr Mamma
Carlotta fort. »Und aus Angst, dass sie ihrem Sohn etwas verraten würde, hat
Susala sie umgebracht.«
Tove nickte zögernd. »Oder Utta Ingwersen hat herausbekommen, dass
Susala und Arne was miteinander haben und wollte die Ehe ihres Sohnes retten.
Sie hat verlangt, dass die beiden sich trennen. Und Susala hat dann dafür
gesorgt, dass sie den Mund hält. Für immer!«
»Auch möglich«, gab Mamma Carlotta zu. »Jedenfalls hat sie sich
ausgerechnet, dass sie ein eher geringes Risiko eingeht. Denn natürlich hat
sofort jeder daran gedacht, dass die Mafia sich an Harm Ingwersen gerächt hat.«
»Indem sie seine Frau umbringt.« Tove schob anerkennend die
Unterlippe vor. »Ganz schön clever! Und warum musste der ScheiÃkerl, der mich
erpresst hat, auch dran glauben?«
»Weil er gemerkt hat, dass Susala Utta Ingwersen umgebracht hat. Und
weil er spitzkriegte, dass die Mafia in Verdacht geriet â also er selbst!«
»Und das wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Es kam zum Streit,
und â schwups! â hat die saubere Lady ihm den Schädel eingeschlagen!
Donnerlittchen!«
»Vielleicht ist er auch dahintergekommen, dass sie mit Arne ein
Verhältnis hat«, überlegte Mamma Carlotta weiter. »Und er hat von ihr verlangt,
es aufzugeben. Ansonsten wollte er dafür sorgen, dass die Polizei einen Wink
bekommt, wer wirklich hinter Utta Ingwersens Tod steckt.«
»Auch denkbar! Nur ⦠wie sollen wir das beweisen?«
In diesem Moment betrat ein Kunde die Imbiss-Stube. Zum Glück war er
mit einem eiskalten Bommerlunder schnell abgefertigt. Als Tove die Flasche
wieder in der Kühlung verstaute, sagte er: »Es wäre gut, wenn man wüsste, was
in dem Brief steht, den Vera Ingwersen bekommen hat.«
Mamma Carlotta nickte. »So, wie sie reagiert hat, muss es etwas
Schlimmes gewesen sein.«
»Aber wo mag sie ihn versteckt haben?«
Mamma Carlotta dachte lange nach, dann sagte sie: »Es würde mich
nicht wundern, wenn er noch da liegt, wo sie ihn hingesteckt hat: neben der
Kasse unter dem Einwickelpapier.«
Tove sah sie ungläubig an. »Ausgerechnet dort?«
»Gerade dort! Um die Perlenmuschel kümmert sich niemand. Nur Vera!
Dort ist der Brief sicherer als in ihrer Wohnung, wo Arne ihn finden könnte.«
Mamma Carlotta hatte nicht gemerkt, dass sich die Tür zu Käptens
Kajüte erneut geöffnet hatte. Erst als Fietje sich neben sie auf einen
Barhocker schob, stellte sie fest, dass sie nicht mehr mit Tove allein war.
»Ich bin vor einer Stunde an der Perlenmuschel vorbeigekommen«,
erzählte Fietje. »Da hängt ein groÃes Schild an der Tür: âºWegen Krankheit
geschlossen!â¹Â« Er sah von einem zum anderen und bemerkte, dass es in Mamma
Carlottas Gesicht arbeitete und Tove scharf nachdachte. »Es gibt da eine Tür an
der Rückseite des Hauses, deren Schloss nicht mehr funktioniert. Die führt in
einen Abstellraum, den niemand benutzt. In dem steht ein Regal, das fast leer
ist. Deshalb kann man es leicht zur Seite rücken. Dahinter ist eine Tür, die in
den Toilettenraum der Perlenmuschel führt.«
»Woher wissen Sie das?«, staunte Mamma Carlotta.
»Weil er ein gottverdammter Spanner ist!«, antwortete Tove an
Fietjes Stelle, aber es klang nicht so aggressiv wie sonst, sondern eher so,
als ginge es um eine Unart, über die man lächelnd den Kopf
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