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Tod im Frühling

Tod im Frühling

Titel: Tod im Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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die langsam an den Scheiben vorbeischwebten. Obwohl der Wachtmeister als Sizilianer m e h r Grund gehabt hätte, sich über den Schnee zu wundern als die Florentiner, schenkte er i hm im m er noch keinerlei Beachtung. Er war zu sehr m it den Proble m en b eschäftigt, die ihn bedrückten. Zum einen war da die Frage, was – wenn überhaupt – er d em Vater des Jungen sagen sollte, und dann war da auch noch ein Fall, der in den nächsten Tagen vors Berufungsgericht ging. Trotzdem sollte er sich später nur zu gut an den Schnee erinnern, wenn ihn ein Zeuge nach dem andern zur Verzweiflung bringen und er i mm er wieder die gleiche, m it dem gleic h en bedauernden Lächeln vorgebrachte Antwort zu hören beko mm en würde: »Ehrlich gesagt, m ir ist da nichts aufgefallen. Ich weiß nicht, ob Sie sich eri n nern, aber an dem Morgen hat es g e schneit… Was sagen Sie dazu, Schnee m i tten in Fl o renz, und das auch noch im März… «
    Der Bus blinkte und fuhr davon. Der Junge hatte seinen Besen stehen lassen und war im Hinterraum der Trattoria verschwunden. Auf das Feuer, über dem das Fleisch geröstet wurde, hatte man die ersten großen Scheite gelegt, und die ersten Fla mm en züngelten daran hoch. Über dem h ohen Gebäude trieb blauer Holzrauch unentschlossen zwischen den lockeren Schneeflocken u m her, und sein süßer Duft gesellte sich zu den vorherrschenden m orgendlic h en Gerüchen von Kaffee und Autoabgasen .
    Der Wacht m eister sah auf seine Uhr. Wenn er noch wie geplant beim Gefängnis vorbeigehen wollte, hatte er jetzt k eine Zeit m e hr, wegen des Jungen irgend etwas zu un t erneh m en. Es war vielleicht sowieso besser, erst einmal zu versuchen, m it dem Jungen direkt zu reden und den Vater aus dem Sp i el zu lassen. Und außerdem war es m ehr als wahrscheinlich, daß entweder der eine oder der andere oder beide ihm sagen würden, daß er sich um seine eigenen Angelegenheiten kü m mern solle. Er seufzte und sch i ckte sich an, die Straße zu überqueren. Auf der linken Seite kam ein Auto herangefahren und blinkte la n ge angesichts des endlosen Verkehrs, der ihm von der Via Ro m ana entgegenka m . Vorne saßen zwei Mädchen, und von hinten beugte sich jemand zwischen sie, ganz hinter einem riesi g en Stadtplan verborgen, und versuchte ver m utlich, der Fahrerin den Weg zu erklären. Noch m ehr Touristen. Die Invasion begann Jahr für Jahr früher und m achte es e inem u n m ö g lich, in den überfüllten, engen Straßen seinen nor m alen Geschäften nachzugehen. Erst am Tag zuvor hatte die N a zione einen Leserbrief veröffentlicht, in d e m j em and den ironischen Vorschlag m ac h te, d er Bürger m e ister solle d och den Floren t inern irgendwo draußen in den Hügeln einen Lagerplatz einrichten, da in ihrer eigenen Stadt kein Platz m e hr für sie sei. Der Touris m u s brachte zwar beträchtli c he Einnah m e n, aber trotzdem haßten die Florentiner diese jährliche Invasion .
    Auch für die sardischen Dudelsackpfeifer, die zwischen Weihnachten und Ostern selten zu sehen waren, war es noch zu früh. Doch als der Wach tm eister zu seinem Posten an der Piazza Pitti hinüberging, kam ihm einer e n tgegen, eingehüllt in ei ne m langen schwarzen Schäferu m hang, den Windbalg aus weißem Schafsleder unter einen Arm geklem m t. Er spielte stockend und ziemlich fal s ch, und nie m and beachtete ihn oder gab ihm G eld. Auto m atisch warf der Wacht m e ister einen Blick zur anderen Straßenseite, in der Erwartung, den zweiten Pfeifer zu sehen, der nor m alerweise auf einer kleinen, oboenähnlichen Flöte die Melodie sp i elt, doch er war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich war er gerade in einem der Geschäfte und bettelte. Der Wacht m eister hatte keine Zeit ru m zustehen und ging den ansteigenden Vorplatz des Palazzo P i tti hinauf, quetschte seinen entschieden übergewichtigen Körper zwischen den dichtgeparkten Autos durch und verschwand links unter dem steiner n en Torbogen .
    Als er den Kopf durch die Tür seines Büros steckte und m i tteilte, daß er den Wagen neh m en würde, fügte er hinzu, als wäre es ihm eben eingefallen: » Es schneit … «
    In den Chianti-Hügeln vor Florenz schneite es s t ärker, und der Him m el blieb den ganzen Tag verhangen und weiß. Die lockeren Flocken sch m olzen schnell auf den steinigen, ockerfarbenen Straßen, doch konnten s i e sich an den gerade sprießenden Weizen klam m ern. An den Olivenbäu m en t r ug jedes der steifen kleinen Blätter eine Oblate aus

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