Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi
Elend.« Piepgras
schüttelte sich bei der Erinnerung an das Erlebte. »Ich habe zunächst keinen
Ton aus ihr herausbekommen. Mir war aufgefallen, dass sie mich aggressiv
abgewehrt hat, als ich sie in den Arm nehmen wollte. Sie hat richtig nach mir
geschlagen. Ich war völlig perplex. Das hatte ich noch nie bei ihr erlebt.
Nie!«
Piepgras hatte seine Wanderung unterbrochen und drehte sich zu
Christoph um. »Sie ist wirklich nicht so«, beteuerte er. Dann ging er weiter.
»Ganz langsam kam es dann aus Elena heraus. Ich habe sie zuerst
überhaupt nicht verstehen können. Und als ich ihre ersten Worte hörte, wollte
ich es nicht glauben.«
Christoph räusperte sich. »Die Klinik hat einen Abstrich
vorgenommen. Wir wollen hoffen, dass wir dabei DNA -fähiges
Material gewinnen können. Hat Elena etwas zum Verlauf gesagt? Hat sie Namen
genannt? Hat sie den Täter erkannt?«
»Verdammt noch mal, verstehen Sie das nicht?« Piepgras hatte so laut
gesprochen, dass Patienten und Personal auf dem Flur auf die beiden Männer
aufmerksam wurden und sie neugierig anstarrten.
»Für uns ist jede Sekunde wichtig. Sie wollen doch auch …«
Piepgras streckte seinen Arm aus und zeigte in Richtung des
Krankenzimmers. »Da drin liegt eine junge Frau, deren Leben man vielleicht
zerbrochen hat. Mich interessiert im Augenblick nur, wie es Elena geht.« Der
junge Mann schlug seine rechte Faust in die offene linke Handfläche, dass es
knallte. Dann drehte er sich zu Christoph um und packte ihn am Revers. »Wenn
ich das Schwein erwische, das verspreche ich Ihnen, dann mache ich es kalt.«
Christoph erkannte Piepgras’ Aufregung und verstand dessen Zorn.
Deshalb verzichtete er auf mahnende Worte, dass die Strafverfolgung
ausschließlich Aufgabe der Staatsanwaltschaft und der Polizei war. Er fasste
Piepgras vorsichtig am Ärmel und zog ihn sanft weiter.
»Kommen Sie«, sagte er. »Wir sollten einen Kaffee in der Cafeteria
trinken.« Sie fanden einen Platz an einem Tisch nahe dem Fenster.
Christoph vermied es, noch einmal das Thema anzuschneiden. Mehr
würde er von dem jungen Mann nicht erfahren. Stattdessen versuchte er Piepgras
zu beruhigen, indem er ihn nach seinem Beruf fragte und durch geschicktes
Nachhaken für Ablenkung sorgte.
Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis Hilke Hauck im
Foyer erschien und sich suchend umsah. Sie entdeckte die beiden Männer in der
Cafeteria.
»Ich wünsche Ihnen beiden alles Gute«, verabschiedete sich Christoph
von dem jungen Mann, nachdem er sich dessen Kontaktdaten notiert und ihm seine
Visitenkarte überreicht hatte.
Christoph hatte seinen Volvo gegenüber der Klinik auf den
Stellplätzen vor dem Sportplatz geparkt und fand unter dem Scheibenwischer an
der Windschutzscheibe ein in einer Plastikhülle verpacktes Strafmandat.
»Hast du zu wenig in die Parkuhr geworfen?«, fragte Hilke.
Christoph steckte die Verwarnung in die Jackentasche. »Das ist ein
Gruß der Touristenstadt Husum«, sagte er. »Es wäre doch eine kreative Idee, auf
die Hülle diesen Gruß aufzudrucken: Willkommen in Husum. Wie wäre es, auf die
Rückseite zu schreiben: Wir danken für Ihren Besuch. Kommen Sie recht bald
wieder.«
Ein leichtes Lächeln zeigte sich auf Hilkes Gesicht. Es wirkte aber
sehr verzerrt. Christoph vermied es, auf dem kurzen Weg zur Polizeidirektion
Fragen zu stellen. Er wusste, dass die Beamtin das Gehörte erst einmal selbst
verdauen musste.
Auch Große Jäger stellte keine Fragen, als die beiden ins Büro
zurückkehrten.
»Na, Tante Hilke?«, sagte der Oberkommissar. »Darf ich dir einen
Kaffee besorgen?« Nachdem Hilke stumm genickt hatte, verschwand Große Jäger und
kam kurz darauf mit einem Kaffeebecher wieder zurück. »Mit Milch«, sagte er.
Hilke trank einen Schluck. Dann begann sie zu berichten: »Das Ganze
hat die Frau fürchterlich mitgenommen. Die Tat muss mit brutaler Gewalt
geschehen sein. Elena Petrescu hat Todesangst ausstehen müssen, abgesehen von
der Missbrauchshandlung selbst.«
»Ist sie …« Christoph stockte ein wenig. »… komplett
vollzogen worden?«, fuhr er fort.
Hilke nickte. »Ja.«
»Hat das Opfer Einzelheiten zur Tatausführung machen können?«,
fragte Christoph.
»Nein«, sagte Hilke. »Die Frau befindet sich in einem
traumatisierten Zustand. Es scheint so, als hätte sie es nicht selbst erlebt,
sondern dem Ganzen als Zeugin durch eine Nebelwand beigewohnt.«
»Sie muss aber doch den Täter erkannt haben?«, warf Große Jäger ein.
»Das ist doch
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