Tod im Moseltal
weit gegangen, zwei Menschen zu töten. Er würde ihn nicht schonen, schon gar nicht durch einen schnellen Tod.
»Na, ist das nicht ein schöner Ort?« Mazzomaid breitete die Arme aus und drehte sich erst zur einen, dann zur anderen Seite. »Als ich hörte, wie sehr du dich hier umsonst bemüht hast, wusste ich sofort, dass mir dieser Ort sympathisch ist.«
Blitzschnell und ansatzlos ließ er sich mit den Knien auf Thomas’ Oberschenkel fallen, packte ihn mit der linken Hand unterm Kinn und schlug seinen Kopf mit voller Wucht an den Metallträger. »Hast du wirklich geglaubt, das würde klappen? Die Handwerksbetriebe würden sich auf jemanden wie dich einlassen?« Lachend stieß er sich wieder ab und erhob sich. Thomas stöhnte vor Schmerz auf und spürte, wie warmes Blut von seinem Hinterkopf den Nacken hinunterlief.
Für einen Moment war Ruhe, passierte nichts. Der Wind hatte etwas zugenommen, und sein Rauschen in den Blättern paarte sich mit dem entfernten Dröhnen des Autoverkehrs zu einer nur leicht variierenden Geräuschkulisse. Thomas zuckte kurz zusammen, als ein durchdringendes Hupen diese Ruhe zerriss. Mazzomaid schien das als Zeichen zu werten. Er war wieder ein Stück zurückgegangen und sagte übertrieben freundlich:
»Schau mal, Schwein, was ich hier gefunden habe.« Er zeigte auf die Gegenstände, die Thomas zu seiner möglichen Verteidigung mitgenommen hatte und die jetzt akkurat vor seinen Füßen aufgereiht waren. »Ich weiß gar nicht, wozu die Sachen gut sein sollen«, höhnte Mazzomaid.
Er nahm das von Thomas aus ganz links liegende Pfefferspray in die Hand und fragte mit betont unschuldigem Tonfall: »Weißt du, wozu das gut ist?«
Thomas nickte.
»Na, dann müssen wir es auch mal ausprobieren.« Noch während er die letzten Worte sprach, sprühte er Thomas fast den ganzen Inhalt der Dose ins Gesicht.
Obwohl er die Augen sofort geschlossen hatte, war die Wirksamkeit des Sprays wie eine Explosion unter Thomas’ Augenlidern. So fest er sie auch zusammenpresste, der Schmerz schien sich immer weiter zu steigern. Wie aus der Ferne hörte er Mazzomaid so etwas sagen wie: »… muss das kleine Schweinchen jetzt aber weinen«, und spürte, wie darauf ein kalter, nasser und erdiger Lappen brutal über seine Augen gerieben wurde. Er zerrte an seinen Fesseln, spürte, wie sich scharfe Kanten in die Haut des Rückens einschnitten, warf den Kopf hin und her, doch der Schmerz ließ erst nach ewigen Minuten nach. Erneuter Regen setzte ein, und er legte seinen Kopf so weit wie möglich in den Nacken, in der Hoffnung, das Regenwasser könnte das Pfefferspray abwaschen. Es half nichts.
Dass Mazzomaid wieder vor ihm hockte und ihn emotionslos betrachtete, konnte Thomas durch seine mit Tränen und Dreck verklebten Augen nicht mehr sehen.
»Na, sind die Schweineäuglein so wund, dass das Schwein sie nicht mehr öffnen kann?«, hörte er ihn sagen. »Das ist aber schade. Dann kann es ja gar nicht mehr mit ansehen, was ich noch gefunden habe: ein kleines, scharfes Messer. Das Schwein hat ja viele scharfe Messer in der Küche gehabt, viele sehr scharfe Messer. Mit einem hat das Schwein dann diese hübsche junge Frau getötet, nicht wahr?«
Thomas schüttelte heftig den Kopf und stieß unverständliche Worte in seinen Knebel.
»Ach, das Schwein will gar nicht getötet haben? Doch, das hat es. Ohne das Schwein wäre die Frau jetzt noch am Leben. Ja, aber das Schwein denkt jetzt vielleicht, es sei nur schuld, dass ein anderer getötet hat? Nein, das Schwein hat mit seinen Händen auf die Frau eingestochen, hat auf der Frau gelegen und mit dem Messer in der Hand zugestochen. Ja, das hat das Schwein jetzt wohl nicht gedacht, was?«
Trotz der Schmerzen öffnete Thomas die Augen in ungläubigem Entsetzen. Mazzomaid genoss diesen Augenblick mehr als alles andere bisher. Es war ihm, als würde dadurch die Schande der Jugendjahre nach und nach von seiner Seele gewaschen.
*
»Marie, ab jetzt beginnt wirklich unsere Arbeit. Warte hier. Wenn wir in einer halben Stunde nicht wieder zurück sind oder du vorher Schüsse hörst, ruf die eins-eins-null an. Und vergewissere dich, dass Michael Reuter davon informiert wird. Das ist wichtig, das kann unser aller …«
Sie hatte ihm gar nicht mehr bis zum Ende zugehört und war bereits durch den Zaun auf das Gelände vorgedrungen. Als sie zurückschaute, sah sie, wie Gerhardts resigniert den Kopf schüttelte und Buhle ihr entsetzt nachblickte. Nur Steffens Gesichtsausdruck
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