Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
an.
»Wenn ich an das letzte Mal denke, bekomme ich jetzt schon fürchterliche Kopfschmerzen.«
***
Paul Schweigert fühlte sich völlig ausgelaugt, als er in die Spielstraße des Neubaugebietes in Büppel fuhr. Die letzten Tage hatten viel Kraft gekostet. Zunächst hatten die Eltern von Elena Wagner darauf bestanden, ihre Tochter noch einmal sehen zu können. Er hatte daneben gestanden, als die Mutter einen Heulkrampf bekam, während ihr Mann, der Leiter des städtischen Gymnasiums, versuchte, ihr im wahrsten Sinne des Wortes Halt zu geben. In Momenten wie diesen hatte sich der Kommissar immer schon ohnmächtig gefühlt. Es nützte überhaupt nichts, in solchen Augenblicken zu versichern, dass sie alles Menschenmögliche tun würden, den Täter zu finden und ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen. Scheinbar emotionslos, ohne jegliche Höhen und Tiefen in der Stimme, fragte Edgar Wagner:
» Hat Elena lange leiden müssen?«
» Unser Rechtsmediziner sagte, sie wäre nach ca. zehn Sekunden bewusstlos geworden.« Dass sie daran nicht starb, sondern im feuchten und kalten Wald erfror, verschwieg Paul.
Das Hupen und eine Lichthupe riss en den Ermittler aus seinen Gedanken. Sein Tachometer verriet ihm, dass er genau 20 km/h fuhr, also schon zu schnell war für eine verkehrsberuhigte Zone. Was will der blöde Affe?
Paul bremste abrupt, stieg aus dem Auto und riss die Tür des braunen Geländewagens auf, dessen Fahrer ihn genötigt hatte.
» Haben Sie ein Problem, oder was?«, fauchte er den bärtigen Fahrer, der eine Sonnenbrille trug, an.
» Du schleichst hier lang wie eine Schildkröte, ich will vorwärts kommen.«
» Das ist eine Spielstraße, da fährt man Schrittgeschwindigkeit!«
» Was geht dich das denn an, wie schnell ich fahre?«
Paul zückte seinen Dienstausweis und brüllte:
»Meister, kannst du lesen? Ich vertrete das Gesetz. Und das, was du hier machst, ist Nötigung!« Der brummelige Fahrer sah ihn an, als hätte er überraschend eine Fünf in Mathe bekommen.
» Oh, Entschuldigung, das kann ja kein Mensch ahnen.«
» Erwische ich dich noch einmal, gibt es eine Anzeige.« Paul knallte die Tür des fremden Autos zu und schaute auf das Kennzeichen WST, das für Westerstede stand. Auch noch einer von auswärts, der hier neue Regeln aufstellen will.
Paul parkte seinen dunkelblauen Passat Combi im Carport. Durch die gestrige Pressekonferenz war die breite Öffentlichkeit informiert worden. Die Nordwest-Zeitung titelte:
19jähriges Mädchen in Rastede erdrosselt aufgefunden
Neben dem Bericht fanden die Leser ein Foto, das Oberstaatsanwalt Rentz und ihn als Leiter der ‚Soko Schlosswald‘ zeigte. Paul Schweigert war nicht grundsätzlich gegen das Einschalten der Presse. Er hätte es aber lieber gesehen, dass sie noch ein paar Tage Zeit gehabt hätten, um die Spuren und die Hinweise gründlicher auswerten zu können. Auf der anderen Seite konnten sich durch die breite Öffentlichkeit neue Aussagen oder Hinweise ergeben. Es erhöhte nicht zuletzt den Druck auf den Täter.
Wiebke empfing ihn an der Tür und gab ihm einen Kuss.
»Na, mein Schatz, wie war dein Tag, haben…« Der laute Jubelschrei von Tom unterband die Frage. Sein Sohn rannte im Schlafanzug mit ausgestreckten Armen auf ihn zu.
» Hey, Sportsfreund, du bist ja noch wach.« Tom antwortete mit einem breiten Grinsen.
» Er wollte nicht eher schlafen, als bis du da bist.«
» So, so hast du denn schon die Zähne geputzt?« Voller Stolz nickte Tom drei Mal und zeigte seine blitzenden Milchzähne.
» Liest du mir gleich noch was voohoor, Papi?«
» Aber sicher, geh schon mal vor und such dir eine Geschichte aus.« Paul setzte Tom ab, gab ihm einen Klaps auf den Hintern, und er sauste los.
» Ich sag's dir, diese Presseleute rauben mir den letzten Nerv. Fünf Radiosender riefen an und sogar das Fernsehen. Zum Glück habe ich den Polizeisprecher erst einmal zugeteilt bekommen, der als Puffer dient und das meiste abfängt. Was macht denn unsere Prinzessin?«
» Ich habe sie vor einer halben Stunde gestillt, vorhin hat sie noch versucht, die Spieluhr zu hypnotisieren.«
» Und, hat sie es geschafft?«
» Schau doch selbst.« Als er an das Babybett trat, fand er Levke friedlich schlafend vor. Ihre Fingerchen versuchten im Schlaf nach etwas zu greifen. Paul streichelte ihr die Wange.
» Sieht aus, als hätte die Spieluhr diesmal gewonnen«, sagte Paul und grinste zufrieden, während Wiebke ihn mit beiden Armen umschlungen
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