Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
Freundin. Ich studiere Meeresbiologie im sechsten Semester«, Irina goss das kochende Wasser auf, «konnte ihr also mit ihrem Jurakram nicht weiterhelfen. Mit ihren Kommilitoninnen hat sie selten etwas unternommen. Sie hockte oft vor ihrem Laptop, hing bei Facebook und anderen Chats rum. Machen heutzutage ja fast alle. Aber sie hat es übertrieben, finde ich. Immer, wenn ich mal ins Zimmer kam, hat sie hektisch die geöffneten Fenster auf dem Bildschirm geschlossen.«
» Haben Sie sie darauf angesprochen?« Lisbeth probierte den heißen Früchtetee.
» Mehr als einmal. Aber sie war dann schnell genervt, hat mich angeraunzt und gemeint, ich sollte mich lieber um meine eigenen Sachen kümmern.«
» Hat sie über das Internet Männer kennengelernt, oder wollte sie mal jemanden treffen?«, wollte Paul Schweigert wissen, während Irina den Tee eingoss.
» Keine Ahnung, wenn, dann hat sie es mir nicht erzählt.«
» Was hat sie Ihnen denn erzählt, wo sie hin wollte, vorgestern Abend?«
» Das ist es ja gerade, sie erzählte, dass sie eine alte Schulfreundin träfe. Einen Namen sagte sie nicht.«
» Den Treffpunkt hat sie auch nicht verraten?«, hakte der Kriminalhauptkommissar nach.
» Sie wolle noch eine alte Schulfreundin 'in der Stadt' treffen, hat sie gesagt.«
Lisbeth Eicken legte ihre Visitenkarte auf den Tisch: »Vielen Dank für den leckeren Tee. Falls Ihnen noch etwas einfällt, das uns weiterhelfen könnte, rufen Sie mich bitte an.«
***
Paul Schweigert parkte den zivilen Dienstwagen im Innenhof der Polizeiinspektion. Für 11.30 Uhr hatte er als Leiter der 'Soko Schlosspark' zu einer Lagebesprechung gebeten. Die Soko setzte sich aus verschiedenen Beamten unterschiedlicher Kommissariate und Abteilungen zusammen, die extra für diesen Fall von ihren eigentlichen Aufgaben abgezogen wurden. Neben Paul, der die Soko leitete, und Lisbeth Eicken, bestand sie aus dem Computerfachmann Arne Claaßen, dem Profiler Axel Meyerhoff, der von der Abteilung für Fallanalyse des Landeskriminalamtes Niedersachsen abgeordnet war, und sechs weiteren Mitarbeitern.
Oberstaatsanwalt Kai Rentz und der Leiter der Rechtsmedizin, Dr. Janssen, nahmen ebenfalls an der Besprechung teil. Paul Schweigert wollte den extrovertierten und karriereorientierten Oberstaatsanwalt früh in die Ermittlung einbeziehen, um gerade in einem solch sensiblen Fall Rückendeckung zu haben. Nach den einleitenden Sätzen über die Wichtigkeit und die Medienwirksamkeit dieses Falles von Oberstaatsanwalt Rentz gab Paul Schweigert nach einer kurzen Vorstellungsrunde das Wort weiter an den Rechtsmediziner.
» Liebe Kollegen, unsere Tote heißt Elena Wagner und wurde 19 Jahre alt, nächste Woche wäre ihr 20. Geburtstag gewesen. Der Todeszeitpunkt liegt zwischen zwei Uhr und vier Uhr nachts. Sie wurde stranguliert, wahrscheinlich mit einem Schal oder einem ähnlichen Stoff. Wir haben hellgraue Acrylfasern am Hals der Toten sicherstellen können.« Dr. Janssen betätigte eine Taste auf dem Laptop, sodass ein Bild dieser Faser durch einen Beamer an die Wand geworfen wurde. »Das Abschnüren der Venen und Arterien zum Kopf führt gewöhnlich innerhalb von zehn bis fünfzehn Sekunden nur zur Bewusstlosigkeit, und auch nur dann, wenn die Strangulation nicht unterbrochen wird, etwa durch die heftige Gegenwehr des Opfers.«
» Hat sich Elena Wagner denn gewehrt?«, fragte Lisbeth Eicken.
» Wir konnten diesbezüglich keine Spuren feststellen.«
» Sie sagten gerade: bewusstlos. Dann ist sie nicht daran gestorben?«
» Nein, Herr Schweigert. Die Strangulation war nicht todesursächlich.«
» Woran ist sie dann gestorben?«
» Sie starb an starker Unterkühlung. Landläufig würde man sagen: Sie ist erfroren.« Ein wildes Gemurmel ging durch den Besprechungsraum.
» Das muss doch aber ein hohes Risiko für den Täter gewesen sein?«
» In der Tat, das war ein Risiko. Sie hätte ja wieder zu sich kommen können, nachdem er sie im Wald abgelegt hatte. Ich vermute, ihr Täter hielt sie für tot, ohne ihren Puls gefühlt zu haben, geriet in Panik und wollte sein Opfer nur einfach loswerden.«
» Aber so schnell erfriert man doch nicht, oder? Wir hatten Temperaturen um die null Grad«, fragte Paul Schweigert.
» Wenn Sie bei Bewusstsein sind, nicht. Unser Opfer war aber bewusstlos. Zudem stellte ich einen Blutalkoholgehalt von 0,9 Promille fest, zurückgerechnet auf den Zeitpunkt der Strangulation, der zwischen 20.30 Uhr und 23.00 Uhr gewesen sein
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