Tod im Pfarrhaus
Pistole handelte es sich um eine Magnum, und wegen des großen Kalibers reichte ein einziger Schuss. Die Austrittswunde war bemerkenswert groß, der Schädelknochen weggerissen.
Einen Augenblick lang kam Irene das Ganze wie das Ende einer griechischen Tragödie vor oder wie eine Variante von Romeo und Julia. Aber hier waren es nicht die strengen Väter und alte Familienfehden gewesen, die der Liebe von zwei jungen Menschen im Wege gestanden hatten, sondern vor vielen Jahren begangene Verbrechen, die nur zu neuen Verbrechen geführt hatten. Wer bei dieser Sache die Opfer und wer die Täter waren, ließ sich nur schwer entscheiden.
KAPITEL 21
Was war auf der anderen Seite der Nordsee eigentlich los? Was hatte dieser Irre Lafayet oder wie der auch immer hieß für ein Motiv, Rebecka zu entführen? Was sollte das? Typisch, immer wenn man Irene losschickte! Dann passierten die merkwürdigsten Sachen. Aber am Schluss kriegte sie doch immer alles hin, das musste er zugeben.
Man hätte Rebecka direkt nach den Morden nach Schweden einbestellen sollen. Vielleicht in Begleitung dieses Seelenklempners und einiger Polizisten, aber man hätte sie nach Hause schaffen müssen. Dann hätten dieser Franzose und der Arzt sie nicht vor ihnen verstecken können. So krank, dass sie nicht hätte sprechen können, wäre sie schon nicht gewesen, und sie hätten in einem frühen Stadium der Ermittlung eine ordentliche Zeugenaussage gehabt. Und alles wäre bedeutend billiger gekommen.
Sven Andersson hatte kein Licht gemacht, obwohl es in den Ecken immer dunkler wurde. Er saß an diesem Freitagabend im April in der Dämmerung und trank genüsslich eine wohlverdiente Dose Bier, um ehrlich zu sein, die dritte. Das ging auch niemanden was an, fand er.
Deswegen war er sehr verärgert, als es an der Tür schellte. Automatisch warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Fast neun. Sein erster Impuls war, nicht zu öffnen, so zu tun, als sei er nicht zu Hause. Andererseits kam es nur äußerst selten vor, dass es bei ihm an der Tür klingelte. Es war reine Neugier, dass er von seinem Sessel aufstand und öffnete.
Zu seinem Erstaunen stand sein Cousin Georg auf der Treppe. Er war allein gekommen, ohne die muntere Bettan. Man konnte über sie nichts Böses sagen, aber manchmal ging sie einem trotzdem auf die Nerven.
»Hallo, Sven«, sagte Georg.
Andersson merkte, dass sein sonst immer so selbstsicherer Cousin leicht verunsichert wirkte.
»Hallo. Gibt’s was Besonderes?«
Nervös fuhr sich Georg mit der Zungenspitze über die Lippen und zwang sich zu einem Lächeln.
»Kann ich einen Augenblick reinkommen?«
Die Neugier des Kommissars erwachte. Vielleicht war es auch nur sein Polizisteninstinkt.
Andersson trat einen Schritt zurück, um seinen Cousin hereinzulassen. Mit einem Fuß schob er diskret die Stiefel beiseite, die direkt hinter der Schwelle lagen. Sie lagen dort, seit er am vergangenen Wochenende angeln gewesen war. Den einzigen Tag, den er über Ostern freigehabt hatte, hatte er seinem einen Hobby gewidmet, dem Angeln. Sein anderes Hobby war sein Garten. Aber das hatte er denen auf der Arbeit noch nie erzählt.
Er wurde sich bewusst, dass es schon geraume Zeit her war, dass er sein kleines Reihenhaus aufgeräumt hatte.
»Entschuldige das Durcheinander, aber in letzter Zeit war es alles etwas viel. Erst die Schyttelius-Morde und dann der Bandenkrieg, der Ostern ausgebrochen ist …«
Das musste als Erklärung reichen. Und wenn nicht, dann sollte Georg gefälligst selbst den Staub sauger hervorholen und sich ans Werk machen. Das hier war Svens Durcheinander, und darin fühlte er sich wohl. Auch wenn es momentan vielleicht etwas schlimmer war als sonst. Damit die dicke Staubschicht auf den Möbeln nicht zu sehen war, knipste er nur eine Lampe im Fenster an.
»Willst du ein Bier?«, fragte er.
»Nein, danke. Ich bin mit dem Auto da.«
Natürlich war er mit dem Auto gekommen. Bettan und er wohnten in Billdal am anderen Ende von Göteborg. Andersson unterdrückte einen Seuf zer, war aber eigentlich ganz froh. Er hatte nur noch drei Dosen im Kühlschrank stehen.
»Vielleicht einen Kaffee …?«, fragte er halbherzig.
»Nein, danke. Überhaupt nichts. Ich wollte dir nur … was erzählen.«
Vorsichtig setzte sich Georg auf die Kante des grünen Sofas. Er hatte vermutlich Angst um seinen hellen Anzug. Das Sofa war nach all den Jahren recht verblichen und sah etwas angeschmutzt aus. Andersson hatte schon wiederholte Male vorgehabt,
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