Tod im Pfarrhaus
eigenen Dämonen zu tun, die wieder zum Leben erwacht waren, als sie die Filme gesehen hatte. Vorher war es ihr gelungen, alles zu verdrängen. Sie wollte sich nicht erinnern, und deswegen tat sie es auch nicht. Aber jetzt kam alles wieder an die Oberfläche. Der schwarze Abgrund in ihr brach wieder auf. Sie klärte Doktor Fischer nie über die eigentliche Ursache ihrer Krankheit auf, aber er ahnte wohl das eine oder andere. Fischer sagte, ich müsse Geduld haben, aber Monate vergingen. Weihnachten wollte sie natürlich nicht nach Hause fahren, sondern entschuldigte sich mit einer Grippe. Wir fuhren nach Edinburgh. Das ging recht gut. Aber nach drei Tagen wollte sie schon wieder zurück. Es gelang ihr nicht, sich sonderlich lange zusammenzunehmen. Im Januar und Februar verfiel sie dann zusehends. Ich begriff, dass sie nie wieder gesund werden würde. Da entschloss ich mich, diese verdammten Schweine umzubringen. Sie hatten es nicht besser verdient. Ich nahm ihnen ihr Leben, denn sie hatten vorher das von Rebecka genommen. Diejenigen, die ihr im Leben hätten am nächsten stehen und sie vor allem Bösen hätten beschützen sollen, zerstörten sie.«
Sie hörten, dass Rebecka jammerte, aber Christian schien es nicht zu beachten. Er starrte in die Kamera. Irene hatte den Eindruck, dass er nicht einmal mehr blinzelte.
»Ich entschloss mich, sie zu töten. Irgendwie glaubte ich, dass sie schon wieder gesund werden würde, wenn die anderen erst mal weg wären. Ich wollte nicht unter meinem eigenen Namen reisen, falls irgendein schlauer Mensch auf die Idee kommen sollte, die Passagierlisten durchzugehen. Deswegen stahl ich den Pass meines Cousins, als ich ihn im März auf Rosslyn Castle besuchte. Wir sehen uns so ähnlich, dass die Passkontrolle schon keinen Verdacht schöpfen würde. Besonders dann nicht, wenn ich ebenfalls einen Pferdeschwanz trug. Ich versuchte, das Ganze als Einbruch hinzustellen, und nahm noch einen Dolch und eine Beretta mit. Die liegen in Mamas Keller hinter dem Heißwasserboiler. Ich entschied mich für einen Montag. Da konnte ich mir mit Hilfe meiner Kumpel von der Tippgemeinschaft ein Alibi verschaffen. Gerade an diesem Montag ging es Rebecka recht leidlich, und sie hatte genug Kraft, um zu arbeiten. Aber bereits gegen vier schlich sie wieder nach oben, um sich hinzulegen. Ich packte eine einfache Sporttasche: meine leichten Wanderschuhe, ein paar dünne Lederhandschuhe, eine kleine Taschenlampe, einen Kompass, die Karte des Walds, durch den ich gehen musste, Toilettenbeutel, warmer Pullover, Regenanzug aus dünnem Plastik und Plastiküberzüge für die Schuhe. Und das Wichtigste: die Disketten zum Löschen der Festplatten. Am Vortag hatte ich über Internet bei Avis auf dem Flughafen Landvetter einen Wagen bestellt. Das Ticket für die Abendmaschine war ebenfalls gebucht. Ich brauchte es nur noch am Schalter abholen.«
Er verstummte und trank rasch ein paar Schlucke aus seinem Glas.
»Kurz vor halb sechs war ich im Shakespeare. Ich unterhielt mich lange mit Steven, dem Eigentümer, damit er sich daran erinnern würde, dass ich dort gewesen war. Die anderen kamen gegen sechs, und wir tranken Bier und besprachen den Tippschein der Woche. Ich gab eine Runde Whisky aus. Gegen halb sieben sagte ich halblaut zu Vincent, dass ich auf ein wichtiges Gespräch warten würde und nach Hause müsse. Die Stimmung am Tresen war recht ausgelassen, und ich glaube nicht, dass es jemandem auffiel, dass ich früher ging als sonst. Ich rannte nach Hause und holte meine Tasche. Das dauerte nicht mal eine Minute. Dann eilte ich zur Bayswater Road und nahm mir von dort ein Taxi zur Paddington Station zum Zug nach Heathrow. Fünf Minuten nach sieben holte ich mein Ticket ab und checkte als Letzter ein. Die Tasche ging als Handgepäck durch. Als wir die Maschine verließen, musste ich sie nur packen und zusehen, dass ich der Erste war. Der Mietwagen stand bei Avis schon bereit. Alle Papiere hatte ich schon via Internet ausgefüllt. Vom Flughafen zum Sommerhaus fährt man nur eine Viertelstunde.«
Er trank noch einen Schluck und fuhr dann fort:
»Ich hatte schon auf der Karte eine Stelle gefunden, an der ich den Wagen ungefähr abstellen wollte. In Wirklichkeit war es dann aber schwieriger, als ich gedacht hatte. Aber schließlich entdeckte ich einen Weg. Ich zog die Jacke aus und den Pullover und die Wanderschuhe an. Dann zog ich den Regenanzug über. Mit der Kapuze würde ich nicht so leicht zu identifizieren sein,
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