Tod im Sommerhaus
Jenny Larsson geworden?«, fragte Nielsen.
»Hat sich dünn gemacht. Als Katja rauskam, war sie wieder da, wo sie vorher gewesen war. Ging anschaffen, war ziemlich down. Sie starb ein paar Jahre später, vermutlich an Aids.«
Magnusson machte eine abwehrende Geste.
»So kann’s gehen. Und Katja ist angeblich nie darüber hinweggekommen. Deswegen gab es wohl auch ständig Streit, wie an jenem Tag, als Strand das Zeitliche gesegnet hat.
Offenbar hatte Weine Strand Jenny Larsson rausgeworfen, als Katja im Knast war. Es gibt das Gerücht, dass sein Tod kein Unfall, sondern späte Rache war.«
»Was glauben Sie?«, fragte Nielsen.
Magnusson verzog das Gesicht.
»Ich weiß nicht so recht. Nichts deutete auf ein Verbrechen hin. Außerdem war er schon über siebzig. Er war eigentlich nur noch ein wandelndes Skelett. Hatte sich fast schon totgesoffen, von den anderen Drogen ganz zu schweigen. Es ist also gut möglich, dass er auf der Treppe gestolpert ist und sich dabei das Genick gebrochen hat.«
»Ein leichter Stoß hätte vielleicht genügt?«
Magnusson bedachte ihn mit einem ironischen Lächeln.
»Tja, so kann man es natürlich auch sehen. Aber für mich ist dieser Fall abgeschlossen. Was geschehen ist, kann man auf dem Totenschein nachlesen.«
Nielsen nickte nachdenklich.
»Und dieser Fall? Ist der auch abgeschlossen?«
Magnusson musterte ihn.
»Noch nicht. Mal abwarten. Aber ich werde kaum jede Minute bis zu meiner Pensionierung dafür verwenden. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass ich nicht weiß, wie weit man kommen kann und wie viel das bringen würde. Sie etwa?«
Er hatte sein Auto an der Straße geparkt, ging aber daran vorbei.
Er musste sich die Beine vertreten, brauchte Bewegung. Er bog zwischen die lang gestreckten Mietshäuser ein, und überquerte mit ruckartigen Schritten einen Innenhof mit einem Klettergerüst und einem Sandkasten, in dem Kinder spielten.
Eine Mutter mit einer Zigarette im Mundwinkel starrte ihm misstrauisch nach.
Er durchquerte ein Wäldchen und gelangte zu einem zur Hälfte weggesprengten Felsen. Unterhalb lag eine neue Straße mit braungrauen, dreistöckigen Mietshäusern. Es hatte zu nieseln begonnen. Bei Regen erinnerten die Fassaden an aufgeweichte Pappe.
Er dachte an das Gesicht von Katja Walter. Eine Maske, die er nicht zu durchschauen vermochte. Vielleicht sagte sie über Lindberg und die Ereignisse im Sommerhaus die Wahrheit.
Oder war es anders gewesen? Katja Walter, die außer sich vor Eifersucht und unerwiderter Liebe hinter Anneli Holm stand und die Schlinge um ihren Hals zuzog …
Und der Teppich. Hatte Bellander ihn sich unter den Nagel gerissen? War er bereits weiterverkauft? Oder lag er in irgendeinem Schließfach? Falls er überhaupt wertvoll war.
Er erinnerte sich an Magnussons Worte. »Über diesen Teppich existieren nur die Angaben der Enkel. Er stand auf keiner Inventarliste und war nicht versichert. Auch wenn ein Teppich dieser Art irgendwo auftauchen sollte, hätten wir keine Möglichkeit, ihn zu identifizieren.« Falls Katja Walter das wusste, konnte sie in aller Ruhe abwarten.
Er blieb stehen und blickte sich um. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Es hatte aufgehört zu regnen, und die Sonne schien durch die Wolken.
Er ließ sich auf eine Bank an dem Fußweg sinken, dem er schon seit geraumer Zeit gefolgt war. Die feuchte Luft drang durch seine Kleider, aber er blieb sitzen und hing seinen Gedanken nach. Er würde nie erfahren, was geschehen war. War es ihm wichtig? Vielleicht nicht. Nichts wurde davon besser.
Nichts wurde dadurch ungeschehen gemacht. Dafür war es zu spät.
Anneli Holms Gesicht mit dem Schmollmund tauchte plötzlich vor seinem inneren Auge auf, und ihm wurde klar, dass ihm nicht Katja Walters mögliche Schuld zu schaffen machte, sondern seine eigene.
»Du hattest Recht«, sagte er. »Mir war es ziemlich egal, was aus dir wurde. Oder aus Lindberg.«
Sein Blick glitt in die Ferne.
»Und das spielt eigentlich auch keine Rolle. Ich hätte ohnehin nicht viel unternehmen können. Nicht ein Wort von mir hätte etwas ändern können.«
Er schwieg eine Weile und fuhr dann fort.
»Du hättest die Tür nicht öffnen dürfen, weder mir noch sonst jemandem. Du hättest in deiner Wohnung bleiben sollen, bis alles vorüber war.«
Wieder konnte er ihre Stimme hören.
»Habe ich nicht auch Anrecht auf ein kleines bisschen Glück!
Ein einziges, verdammtes Mal!«
Er nickte.
»Klar«, log er. »Klar hast du das.«
Drei
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