Tod im Tal der Heiden
Laoghaire dagegen protestierte, verursachte Patrick noch den Tod anderer, die sich weigerten, den neuen Glauben anzunehmen. Selbst dem Großkönig Laoghaire wurde gesagt, er werde auf der Stelle sterben, wenn er sich nicht zum neuen Glauben bekenne. Hat nicht Laoghaire seine Ratgeber zusammengerufen und ihnen erklärt: ›Es ist besserfür mich, zu glauben statt zu sterben.‹ Ist das die richtige Art, Menschen zu einem Glauben zu führen?«
»Falls das, was du sagst, der Wahrheit entspricht, dann ist es nicht die richtige Art«, stimmte ihr Fidelma zu, wobei sie das »falls« leicht betonte.
»Lügen denn Männer deines Glaubens, Fidelma von Cashel?« höhnte die Frau. »Ultan von Armagh schickte meinem Bruder als Geschenk ein Buch, eine Lebensbeschreibung Patricks, geschrieben von einem, der ihn kannte, mit Namen Muirchú, und darin sind diese Wahrheiten enthalten. Nicht nur das, sondern es heißt darin auch, daß Patrick zu der Burg Míliucc von Slemish reiste, wo er gewohnt hatte, bevor er davonlief nach Gallien und sich dem neuen Glauben zuwandte. Als der Fürst der Burg hörte, daß Patrick sich näherte, geriet er in solche Furcht vor ihm, daß er seine Wertsachen und seine Familie, seine Frau und seine Kinder, nahm, sich mit ihnen in seinem
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einschloß und ihn in Brand setzte. Wie konnte ein Mensch bei einem anderen solche Furcht auslösen, daß er seinem Leben ein so schreckliches Ende setzte? Leugnest du, daß es so verzeichnet steht?«
Fidelma seufzte leise.
»Ich weiß, daß es so verzeichnet steht«, gab sie zu.
»Und wie es niedergeschrieben ist, so ist es geschehen?«
»Wir haben gelernt, den Worten von Muirchú zu trauen, doch es war die Entscheidung des Fürsten, lieber sein Leben zu beenden als zu glauben und dem ewigen Gott zu dienen.«
»Nach den alten Gesetzen haben wir gelernt, daß das, was wir glauben, allein eine Sache unseres Gewissens ist. Wir können wählen, was wir glauben wollen, solange wirnicht andere dadurch schädigen. Euer Patrick bekehrte die fünf Königreiche durch eine einfache Wahl: Glaube oder stirb von meiner Hand.«
»Von der Hand Gottes!« fauchte Eadulf, der nicht länger schweigen konnte.
Erstaunt drehte sich Orla im Sattel um.
»Nanu? Der Fremde spricht unsere Sprache. Ich dachte schon, du würdest sie nicht beherrschen oder du wärst stumm. Aus welchem Land kommst du denn?«
»Ich bin Eadulf von Seaxmund’s Ham im Lande des Südvolks.«
»Und wo ist das?«
»Es ist eins der angelsächsischen Königreiche«, erklärte Fidelma.
»Ach so. Von den Angelsachsen habe ich schon gehört. Du sprichst unsere Sprache aber gut.«
»Ich habe mehrere Jahre in diesem Lande studiert.«
»Bruder Eadulf steht unter dem Schutz der Gastfreundschaft meines Bruders Colgú von Cashel«, warf Fidelma ein. »Er ist Gesandter des Erzbischofs von Canterbury im Lande der Angelsachsen.«
»Aha. Und der gute Bruder bezweifelt, daß ich Muirchús Lebensbeschreibung von Patrick richtig verstehe?«
»Manche Dinge darf man nicht so wörtlich nehmen«, meinte sich Eadulf verteidigen zu müssen.
»Dann ist das Buch also nicht wahr?«
Fidelma stöhnte leise, während Eadulf vor Zorn errötete.
»Es ist wahr, aber …«
»Wie kann es denn wahr und doch nicht wörtlich zu nehmen sein?« fragte Orla mit eisigem Lächeln. »Dann muß hier wohl Zauberei im Spiel sein?«
»Manche Dinge sind symbolisch zu verstehen, sie vermitteln Auffassungen in Form einer Legende.«
»Also wurde keiner der Leute, die Patrick umgebracht haben soll, tatsächlich getötet?«
»Das meine ich nicht …«
Fidelma unterbrach sie.
»Wir kommen ans Ende der Schlucht«, verkündete sie erleichtert, als sie ein breites Tal vor ihnen erblickte. »Ist das Gleann Geis?«
»Es ist das Verbotene Tal«, bestätigte Orla, wandte sich von Eadulf ab und schaute zu der Felskante über ihnen empor. Plötzlich stieß sie einen schrillen Pfiff wie einen Vogelruf aus. Sofort antwortete darauf ein tieferer Pfiff. Hoch über ihnen tauchte die Gestalt eines Wachpostens auf und sah zu ihnen hinunter. Da wurde es Fidelma klar, daß der Zugang zu Gleann Geis gut gesichert war, denn niemand konnte hinein oder heraus ohne Erlaubnis derer, die diesen engen Paß kontrollierten.
KAPITEL 5
Gleann Geis bot einen prachtvollen Anblick. Den Talboden bildete eine Ebene, die von einem mittelgroßen, behäbigen Fluß durchzogen wurde. Er entwickelte sich offensichtlich am anderen Ende aus einem wilden Bergbach, der über unglaubliche
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