Tod im Tal der Heiden
verlassen haben.
Das Stöhnen war so leise, daß sie einen Moment glaubte, es sei der Nachtwind. Da war es wieder. Es war ein menschlicher Laut, erkannte sie sofort, und er drang aus dem Stall.
Sie wandte sich um, eilte zur Tür und spähte in die Dunkelheit drinnen. Es war ein Keuchen im Todeskampf.
Sie sah nur die schattenhaften Umrisse der Pferde, die sich unruhig bewegten. Sie nahm die Fackel über der Tür aus ihrem Halter, hob sie hoch und betrat vorsichtig den Stall.
Jemand lag am anderen Ende des Stalls ausgestreckt auf dem Rücken, eine Hand auf der Brust, die andere unter dem Kopf.
Ohne Mühe erkannte Fidelma Bruder Solin.
Ein Blick auf das stoßweise aus seiner Brust fließende Blut, das seine Hand vergeblich zu stillen suchte, zeigte ihr, daß Bruder Solin im Sterben lag. Seine Augen waren geschlossen, sein Mund schmerzverzerrt.
»Solin!« sagte sie scharf. »Wer hat das getan?«
Er bewegte den Kopf, doch die Augen vermochte er nicht zu öffnen. Der Mund verzog sich noch mehr.
»Solin, ich bin’s, Fidelma. Wer hat das getan?«
Die Lippen öffneten sich, und Fidelma beugte sich tief hinunter, um den krampfhaft gehenden Atem zu hören.
»Suaviter … suaviter in modo …«
Der Kopf fiel zurück. Bruder Solin aus Armagh war tot. Fidelma seufzte und vollendete den Spruch:
»fortiter in re.«
Mit zusammengepreßten Lippen starrte sie auf die Leiche hinab. Was sollte das heißen? »Sanft in der Art«, hatte Solin begonnen, und der Spruch ging weiter: »Hart in der Sache.« Nun, sein Mörder war hart zur Sache gegangen, aber gewiß nicht auf sanfte Art. Orla hatte gesagt, sie würde Solin umbringen, wenn sie ihn noch einmal sähe, und anscheinend hatte sie Wort gehalten.
Da Solin nun nicht mehr zu helfen war, durchsuchte sie rasch seine Leiche. Das Stück Pergament, das Bruder Dianach ihm gegeben und das sie bei ihm gesehen hatte, war nirgends zu finden. Sie hielt die Fackel hoch und schaute sich sorgfältig um. Keine Spur von etwas, was auch nur entfernt einem Pergament ähnlich sah. Hatte Orla es mitgenommen? Wenn ja, warum? Und was hatte Orlas Zorn auf Solin mit Solins Drohung zu tun, daß Cashel fallen werde, bevor der Sommer vergangen wäre?
Fidelma erhob sich langsam, die Fackel in der Hand, und spürte plötzlich einen harten Gegenstand an ihrem Rücken. Eine rauhe Männerstimme zischte: »Keine weitere Bewegung, Lady.«
Sie erkannte Artgals Stimme.
Sie stand still.
»Ich mache keine Bewegung«, versicherte ihm Fidelma. »Was willst du von mir?«
Der Mann lachte schrill auf.
»Du hast einen komischen Sinn für Humor, Lady. Steh still.«
Zu Fidelmas Überraschung rief er plötzlich laut nach seinen Kameraden von der Wache.
»Was hast du vor?« fragte sie, etwas weniger selbstsicher. »Du kannst dich zu mir umdrehen«, erwiderte Artgal, »aber langsam.«
Fidelma tat es und stand nun dem finsteren Krieger und Grobschmied gegenüber, der das Schwert auf sie gerichtet hielt. In der Ferne hörte sie antwortende Rufe.
»Was hast du vor?« fragte sie erneut.
»Leicht zu sagen.« Artgal lächelte säuerlich. »Was tut man, wenn man eine Mörderin findet, die sich gerade über die Leiche ihres Opfers beugt?«
»Aber ich habe Bruder Solin nicht …«, protestierte sie, konnte aber nicht weitersprechen, weil Rudgal und ein weiteres Mitglied der Wache hereinpolterten, auf dem Fuße gefolgt von Laisre selbst. Der Fürst hatte sich einen schweren Mantel umgeworfen, als sei er gerade aus dem Bett geholt worden. Artgal nahm respektvoll Haltung an vor seinem Fürsten.
»Was hat das zu bedeuten, Artgal?« forschte Laisre und sah sich im Stall um.
»Ich hatte Nachtwache, Laisre. Ich kam am Stall vorbei und mir fiel auf, daß die Fackel, die gewöhnlich die Tür beleuchtet, fort war. Im Stall war Licht. Ich ging hinein und sah diese Frau …«
Er wies mit dem Kopf auf Fidelma. Laisre mißfiel Artgals Unhöflichkeit, und er unterbrach ihn.
»Du meinst Fidelma von Cashel?«
Artgal ließ sich davon nicht ablenken.
»Ich sah, wie diese Frau sich über die Leiche des christlichen Priesters Solin beugte. Sie hat ihn ermordet.«
»Das stimmt nicht!« protestierte Fidelma, entsetzt über diese Anschuldigung.
Laisre erblickte jetzt die Leiche am Boden. Er stieß einen Ruf der Überraschung aus und beugte sich vor.
»Bei der langen Hand von Lugh«, flüsterte er. »Das ist tatsächlich der christliche Abgesandte aus Armagh!« Er richtete sich auf und starrte Fidelma verblüfft an. »Was hat das zu
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