Tod im Tower: John Mackenzies erster Fall (German Edition)
Teenageralter deiner Kinder überlebt? Meine machen mich noch verrückt.“
Während sie plauderten, stießen auch Alan, David und Annie zu der Gruppe. Während Bella an der Hand ihres Bruders eifrig rückwärtslaufen übte, tauschten die Erwachsenen Neuigkeiten aus und lachten über Anekdoten aus der Schulzeit. John spürte, dass er nicht mit ganzem Herzen dabei war. Die kleine Auseinandersetzung mit seiner Mutter nagte an ihm.
Schließlich entschuldigte er sich und fuhr zur gegenüberliegenden Seite hinüber. Mittlerweile waren die Bänke dicht bevölkert mit Zuschauern und Läufern, die sich ausruhten oder bei einer Tasse Tee aufwärmten. So oft er auch die lange Reihe der Bänke absuchte, er konnte seine Mutter und Renie nicht entdecken. Zunehmend unruhig hielt er Ausschau nach jemandem, den er kannte, als ein älterer Herr ihn ansprach. „Hallo, John. Ich habe Sie und Ihre Geschwister schon aus der Ferne gesehen. Schön, dass Sie wieder alle zum Weihnachtsbesuch hier sind.“
John erkannte den Nachbarn seiner Eltern. „Mr. Barnes, guten Abend und frohe Weihnachten. Sagen Sie, haben Sie vielleicht auch meine Mutter gesehen?“
„Natürlich. Emmeline hat mir ihre Enkelin vorgestellt. Ist ja eine richtige junge Dame geworden – “
„Und haben Sie zufällig auch mitbekommen, wo sie hingegangen sind? Ich kann sie nicht mehr finden.“, fiel John ihm drängend ins Wort.
„Meine Frau hat gesehen, wie die beiden in Richtung Toiletten verschwunden sind. Wir haben uns noch darüber unterhalten, was dem jungen Ding – Maureen heißt sie, sagte Emmeline? – wohl zugestoßen ist, dass sie im Rollstuhl sitzen muss – “
„Wie lange sind die beiden schon weg?“
Mr. Barnes sah auf die Uhr. „Schon über eine Viertelstunde, schätze ich.“ John atmete tief durch.
Ruhig bleiben. Wahrscheinlich stehen sie einfach in einer langen Schlange an der Toilette an.
„Wo befinden sich die Toiletten?“
Mr. Barnes deutete nach hinten. „Wenn Eislauf ist, wird der Anbau des Palmenhauses aufgesperrt, damit die Anlage dort genutzt werden kann.“ John kniff die Augen zusammen und starrte in die angegebene Richtung, konnte jedoch niemanden entdecken. „Danke, Mr. Barnes. Ich werde sie mal suchen gehen. Grüßen Sie Ihre Frau von mir.“
Kurz schwankte er, ob er den anderen Bescheid geben sollte. Seine Geschwister standen jedoch immer noch am anderen Ende der Bahn, ins Gespräch vertieft. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass die Zeit drängte. Also zog er eilends die Schlittschuhe aus und schlüpfte in seine Stiefel. Im Laufschritt erreichte er den rückwärtigen Eingang des viktorianischen Gewächshauses. In einem Vorbau waren einige Funktionsräume untergebracht. Eine zweiflüglige Glastür führte ins Innere des Gewächshauses. An diesem Weihnachtsabend waren alle Glashäuser der Königlichen Gärten geschlossen. Die Damentoilette war jedoch wie erwartet zugänglich. Vorsichtig öffnete John die Tür einen Spalt und rief, „Mum? Renie?“ Alles blieb totenstill. Johns Herz sank. Er wusste, dass hier keine Menschenseele war, dennoch ging er hinein und kontrollierte jede Tür. Als er wieder ins Dunkel des frühen Abends hinaustrat, spürte er Panik in sich aufsteigen. Die beiden wären nie gegangen, ohne den anderen Bescheid zu geben.
Dann kam ihm eine Idee. Konnte es sein, dass Emmeline die Gelegenheit nutzen wollte, ihrer Enkelin etwas in dem Gewächshaus zu zeigen? Sie besaß Schlüssel für alle Häuser. Er machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück in das Gebäude. Tatsächlich ließ sich die Glastür öffnen. Er schlüpfte hindurch.
Die feuchtwarme Luft schlug ihm ins Gesicht wie ein nasser Lappen. Er lauschte, konnte aber nichts hören. Auf sein Rufen erhielt er keine Antwort. Warum sollten die beiden hier im Dunklen herumschleichen? Lediglich die mit einem Gummigitter belegten Gehwege durch das riesige Gewächshaus waren von schwachen Bodenleuchten notdürftig erhellt.
Als John sich vom Eingang entfernte, umhüllte ihn die Dunkelheit. Geisterhaft zeichneten sich die Silhouetten der tropischen Pflanzen ab, die das Palmenhaus nach Kontinenten geordnet beherbergte. Außer Palmen gab es eine Vielzahl anderer Gewächse, wie Mangobäume, Zuckerrohr und Kaffeebüsche, dazu eine Sammlung exotischer Medizin-, Gift- und Gewürzpflanzen. Mit einem Mal war es John, als hätte er etwas gehört. Noch einmal rief er. Nun war er sicher, dass irgendwer oder irgendetwas mit einem undefinierbaren Laut reagiert hatte.
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