Tod im Tower: John Mackenzies erster Fall (German Edition)
früh für wohltätige Zwecke aller Art eingesetzt und dabei großes Organisationstalent bewiesen.
Doch fragte John sich, was hinter diesem Engagement steckte. Auf ihn hatte sie nie wie eine warmherzige Person gewirkt, die sich aufrichtig für Bedürftige und Kranke interessierte. Sie war attraktiv, allerdings verdankte sie dies den Heerscharen an begabten Schneidern und Visagisten, die die im Grunde eher unscheinbare Frau in eine ansehnliche Erscheinung verwandelten. Trotz des perfekten Bildes, das Simon und Patricia stets nach außen hin abgaben, fragte John sich, ob zwischen ihr und Simon echte Zuneigung bestand.
Mullins machte sich bereit, ans Rednerpult zu treten. Er knurrte John zu, „Wir mussten haufenweise Pressefritzen einlassen. Angeblich wollen die Kerle über unseren Basar und die wohltätigen Zwecke, für die wir verkaufen, berichten. Da lachen ja die Hühner! In den letzten Jahren sind zum selben Anlass höchstens zwei Reporter erschienen, heute ist es eine ganze Kompanie. Da kann ich mir doch denken, aus welchem Grund die hier sind.“ Mit dieser Befürchtung sollte er Recht behalten. Kaum hatte Mullins mit seinen Begrüßungsworten begonnen, wurde er schon durch die ersten Zwischenrufe unterbrochen.
„Commander Mullins – haben Sie schon einen neuen Ravenmaster eingestellt?“
„Rechnen Sie noch mit der Rückkehr von George Campbell?“
„Was wissen Sie über Campbells Motive?“
„Handelt es sich um eine Verschwörung der Beefeater?“
Mullins bemühte sich, die Presseleute zum Schweigen zu bringen und wieder auf den heutigen Anlass zu verweisen, wurde aber überschrieen.
„Sind Sie der neue Ravenmaster? Wie heißen Sie? Drehen Sie sich hierher!“
Unversehens sah John sich im Rampenlicht. Da löste sich Patricia aus der kleinen Gruppe auf der Bühne und ging nach vorn. Sanft, aber bestimmt schob sie Mullins zur Seite.
„Meine Damen und Herren!“ Da Patricia den Reportern als Stammgast der Gesellschaftsseiten britischer Zeitungen bekannt war, richteten alle Kameras sich auf sie und es wurde ruhig.
„Ich danke Ihnen vielmals für Ihr Kommen und das dankenswerte Engagement, das Sie damit für unsere gute Sache beweisen. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass ein großer Teil des heutigen Erlöses an die Hospizstiftung des St. Bartholomew´s Krankenhauses gehen wird. Damit Sie selbst hören können, welch herausragende Arbeit dort geleistet wird, möchte ich das Wort an Dr. Percival Farnsley übergeben. Er ist nicht nur der Chefarzt unserer Klinik, sondern auch ein international renommierter Spezialist in der Krebsforschung.“
Als sie sich in den rückwärtigen Teil der Bühne zurückzog, zischte sie John zu, „Es ist wohl besser, wir streichen deine Rede. Das würde nur wieder für Unruhe sorgen und damit geriete der Zweck des heutigen Tages ganz ins Hintertreffen.“ John nickte erleichtert. In den folgenden Minuten schaffte Dr. Farnsley es, durch seine bewegende Schilderung des Schicksals zweier krebskranker Kinder die Meute zu fesseln.
„Meister aller Tränendrüsenklassen“, murmelte Mullins John zu. Als Farnsley zum Schluss kam, zog Patricia Edwina Dunders nach vorne. Nahtlos übernahm sie das Mikrofon.
„Ich bitte Sie um einen kräftigen Applaus für den unermüdlichen Motor der fleißigen Hände des Towers: Mrs. Edwina Dunders!“
Mit roten Backen erklärte diese: „Der Markt ist eröffnet. Sie wissen ja, mit jedem Kauf tun Sie Gutes für die, die unsere Hilfe am dringendsten brauchen. Also öffnen Sie Ihr Herz und Ihren Geldbeutel.“
Patricia begann zu klatschen und in den Beifall hinein begann der Chor des Towers ein mitreißendes Weihnachtslied zu singen. Die ersten Besucher begannen, zu den festlich geschmückten Buden zu strömen. John nutzte die Gelegenheit, in seine Wohnung zu verschwinden. In Zivilkleidung, hoffte er, würde er der Aufmerksamkeit der Presse besser entgehen können.
Als er sich gerade seiner Uniform entledigt hatte, läutete es. Hastig warf er sich einen Bademantel über und öffnete. Erstaunt sah er Simons Frau vor sich stehen.
„Patricia! Ich dachte, du bist auf dem Markt – “
„Kann ich einen Moment hereinkommen?“
„Äh, ja, natürlich. Setz dich doch einen Augenblick in die Küche, bis ich mir etwas übergezogen habe.“ Wenig später saßen sie sich gegenüber. Patricia hatte das Angebot einer Tasse Tee abgelehnt und John wartete gespannt darauf, dass sie zur Sache kam.
„Du hast dich ja schnell verkrümelt
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