Tod im Tower: John Mackenzies erster Fall (German Edition)
„Sir, ich möchte mich für die Ungeschicklichkeit meiner Mitarbeiterin entschuldigen. Selbstverständlich kommen wir für die Reinigungskosten auf.“ Er wandte sich mit einem beherrschten Lächeln an Renie. „Und Sie bringen den Herrn zum Waschraum und sehen zu, dass er sein Essen bei uns halbwegs fleckenfrei genießen kann.“
„Ja, Mr. Chan“, sagte Renie folgsam, bedachte den Mann aber mit einigen gemurmelten Schimpfworten, während sie John durch einen dunklen Gang in den hinteren Teil des Hauses führte. Er dachte sich, dass Renie ihm wohl unter vier Augen etwas anvertrauen wollte.
Sie passierten die Küchentür, durch deren Oberlicht John eine schwitzende Kochmannschaft zwischen den Herden herumwirbeln sah. Weiter hinten stand eine Tür offen, aus der das Klappern von Geschirr drang. Zwischen Stapeln von Porzellantellern und einer Heerschar von Pfannen und Töpfen blickte eine junge Asiatin auf und warf John einen verschreckten Blick zu.
„Da rein, das ist die Personaltoilette“, drängte Renie. John ließ sich durch die gegenüberliegende Tür schieben. Renie ließ die Tür einen Spalt offen und sagte laut, „So, Mr. Miller, nun wollen wir mal sehen, ob wir die Flecken herausbekommen. Vielleicht möchten Sie Ihr Sakko ablegen, damit wir den Ärmel reinigen können.“ Sie drehte den Wasserhahn auf und zischte, „Jetzt kommt der schmerzhafte Part, John, es tut mir leid“
„Also Renie, jetzt erklär mir aber mal, was hier los ist“, begann er alarmiert, aber sie legte einen Finger auf die Lippen und sah vorsichtig noch einmal in den menschenleeren Gang hinaus. „Keine Zeit für Erklärungen. Versuch mich zu küssen.“
Erschrocken wich er zurück. Jetzt hatte sie offenbar komplett den Verstand verloren.
Renie begann lauthals zu schreien. „Sie widerliches Scheusal! Lassen Sie die Finger von mir, Sie Monster! Hilfe, Li!“ Nun platzte John der Kragen. Er packte seine Nichte an den Oberarmen und schüttelte sie. „Was soll das?“
„Li! Bitte hilf mir, der Kerl will mich vergewaltigen!“ In der Tür stand das Küchenmädchen, eine riesige Fleischgabel mit gefährlich aussehenden Zinken in der Hand. In diesem Moment gab Renie John einen kräftigen Stoß, so dass er nach hinten gegen die geflieste Wand krachte. „Gott sei Dank bist du da! Komm, hilf mir, den Kerl rauszuschmeißen, so lange er noch ein wenig benommen ist.“
Die jungen Frauen zogen John hoch und bugsierten ihn zum Hinterausgang. „Sollen wir ihn nicht der Polizei übergeben?“, fragte die Asiatin ängstlich.
Hastig antwortete Renie, „Nein, nein, ich will nichts mit denen zu tun haben. Und dem Typen hier war das bestimmt eine Lehre.“ Schwungvoll stießen sie ihn zwei Stufen hinunter, die in eine schmale, kaum beleuchtete Gasse führten. Renie warf das Sakko hinterher und rief triumphierend, „So, und jetzt scher dich zum Teufel und lass dich hier nie wieder blicken!“ Bevor sie wieder ins Haus zurücktrat, wisperte sie, „Warte hier, ich versuche, dir deine Jacke zu bringen“. Mit einem Krach zog sie die Eisentür zu.
John rappelte sich mühsam hoch. Beim Sturz von der Treppe hatte er sich den Knöchel verstaucht, sein Sakko war verdreckt und nass und sein Kopf brummte vom Aufprall auf die Wand. Er sank auf die unterste Treppenstufe und vergrub den Kopf in den Händen. Womit habe ich das nur verdient? Diese Göre überschüttet mich mit heißer Suppe, beschuldigt mich, ich hätte mich an ihr vergreifen wollen und dann wirft sie mich eine Treppe hinunter.
Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt begann er zudem erbärmlich zu zittern. Sein Magen knurrte vernehmlich, als er an das entgangene Essen dachte. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er eine Bewegung. Als er den Kopf hob, war niemand zu sehen. Wahrscheinlich Ratten. Riesige Ratten, die sich über mich hermachen werden, wenn ich hier jämmerlich erfroren bin, bemitleidete er sich selbst.
Als Renie nach endlos langer Zeit verstohlen die Hintertür öffnete und herauslugte, traf sie der mordlustige Blick ihres Onkels.
„Sag jetzt nichts, John! Ich erkläre dir morgen alles. Hier ist deine Jacke. Gute Nacht.“ Sie warf ihm eine Kusshand zu und verschwand. John blieb nichts übrig, als zur nächsten U-Bahn zu hinken.
Früh am nächsten Morgen nahm er den Telefonhörer zur Hand und wählte mit einem grimmigen Lächeln. „Bella Hughes“, meldete sich seine jüngste Nichte etwas atemlos.
„Guten Morgen, Bella, Onkel John hier. Du machst dich
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