Tod im Tower: John Mackenzies erster Fall (German Edition)
außer einer sehr dürren Personalakte von diesem Gerry Burrows nichts finden können.“
„Wie kann das sein? Es muss doch Ermittlungsberichte aus dem Verfahren gegen ihn geben.“
Mullins nickte. „Das sollte man meinen. Fielder hat sich bedeckt gehalten, aber ich konnte heraushören, dass er stinksauer ist. Die Archivare sagen, dass durch die Fusion der Einheiten – die Seaforth Highlanders bilden mittlerweile nach einigen Zusammenschlüssen das vierte Bataillon des Königlich Schottischen Regiments – möglicherweise Datensätze verlegt worden sind. Das glaube ich aber nicht.“, sagte er skeptisch. „Mir sieht es eher danach aus, als hätte dieser Burrows damals einen Draht zu den richtigen Leuten gehabt, die dann Informationen verschwinden ließen.“
„Was wissen wir dann überhaupt über diesen Kerl?“
„Nicht viel mehr als sein Geburtsdatum – er muss jetzt siebenundvierzig Jahre alt sein – und seine damalige Heimatadresse. Bevor er zur Armee kam, lebte er bei seinen Eltern in Manchester. Wohin er nach seiner Entlassung ging, ist unbekannt.“
„Gibt es ein altes Foto, Einsatzberichte, Angaben über persönliche Verbindungen, irgendwas?“ Mullins schüttelte bedauernd den Kopf.
John stemmte die Arme in die Hüften. „Das gibt’s doch nicht. Gibt es denn keine Möglichkeit, in den Armeeunterlagen weiter nachzuforschen? Vielleicht findet sich ja doch irgendwo eine Spur von ihm.“
„Ich denke, Fielder hat getan, was er konnte. Es war ihm ganz offensichtlich zuwider, dass sich nicht mehr Informationen finden ließen. Aber immerhin ist die Sache auch über zwanzig Jahre her. Von den Leuten, die damals mit der Führung der Unterlagen betraut waren, wird kaum noch einer im Dienst sein, den man zur Rechenschaft ziehen könnte. Nein, ich fürchte, hier stehen wir vor einer Sackgasse. Gerry Burrows, wer auch immer er ist, hat seine Spur gekonnt verwischt.“
Kapitel 19
Nach Dienstschluss am kommenden Tag beschloss John spontan, sich den „Laughing Dragon“ einmal selbst anzusehen. Renie hatte ihm erzählt, die Spezialität des Hauses wäre Ente Kanton Art. Beim Gedanken daran lief ihm bereits das Wasser im Mund zusammen, so dass er auf dem Weg nach Chinatown energisch ausschritt. Während er am Eingang des gut besuchten Restaurants darauf wartete, an einen Tisch geführt zu werden, sah er Renie durch die Tischreihen flitzen.
Kaum hatte er sich niedergelassen, steuerte sie auch schon mit einem strahlenden Lächeln auf ihn zu. „Mr. Miller, was für eine Freude, Sie wiederzusehen! Unsere heutige Spezialität sind Meeresfrüchte in Wongzhou-Sauce. Aber vielleicht möchten Sie lieber eines von unseren berühmten Entengerichten probieren? Wissen Sie was, studieren Sie doch in Ruhe unsere Karte und ich bringe Ihnen einstweilen unseren Hausaperitif.“ Schon war sie wieder verschwunden.
John starrte ihr nach. Was zog seine Nichte heute für ein Schauspiel ab? Mr. Miller? Er schlug die umfangreiche Speisekarte auf. Ein loser Zettel mit dem Emblem des Restaurants fiel heraus. „Spiel mit! Egal, was ich tue – R.“
John schluckte. Was hatte Renie vor?
Als sie wieder zu seinem Tisch kam, einen giftgrünen Cocktail in der Hand, hatte er seine Wahl getroffen. „Ich nehme die Ente Kanton und dazu ein großes Mineralwasser, Miss.“
„Bestimmt möchten Sie zuvor noch unsere Sauer-scharf-Suppe kosten, nicht wahr?“ Sie sah ihn beschwörend an.
„Ah, nun ja, wenn Sie sie empfehlen können, werde ich sie probieren.“ Als Renie die Karte nahm, zischte sie ihm zu, „Vertrau mir. Auch wenn du heute hier kein Essen bekommen wirst.“ Bevor er etwas sagen konnte, hatte sie sich abgewandt. Mit wachsender Nervosität ließ John seinen Blick über das große Lokal schweifen.
Soweit er das sehen konnte, machte seine Nichte ihren Job sehr gut. Sie bediente schnell und effizient und hatte für jeden Gast ein freundliches Lächeln. Außer ihr waren noch zwei weitere Kellnerinnen im Einsatz, beides Asiatinnen.
„So, Sir, hier habe ich Ihre Suppe und Ihr Wasser.“ Als Renie sich nach vorne beugte, um die Suppentasse abzustellen, glitt diese vom Unterteller. Ihr dampfender Inhalt ergoss sich über John. Morcheln und Bambussprossen übersäten Sakko und Hose.
„Au, verdammt, ist das heiß!“
„Oh, Sir, das tut mir so leid. Wie dumm von mir. Bitte kommen Sie doch nach hinten, da werden wir sehen, was wir tun können.“ Grimmig folgte John ihr durch das Lokal. Der wachsame Oberkellner nahte.
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