Tod im Weinkontor
begegnet ist.« Er räusperte
sich. »Was uns fehlt, ist ein umfassendes Kompendium der
teuflischen Künste, damit man sofort die Spreu vom Weizen
trennen kann.«
»Mir erscheinen die teuflischen Künste durchweg als
sehr menschlich. Auch wenn die Doctores und Professores etwas
anderes behaupten, ist mir noch kein Beweis des Dämonischen
in der Welt untergekommen«, sagte Andreas und setzte sich
aufrecht auf den unbequemen Stuhl.
»Vielleicht gibt es im Fall deines Freundes einen
solchen Beweis«, erwiderte Hülshout und schlug das
schwere Buch auf. »Ich habe von einem schriftlichen
Teufelspakt gehört, den Ludwig Leyendecker eingegangen sein
soll.«
Andreas hob erstaunt die Brauen. Ein schriftlicher Pakt? Also
das große Gerücht, das sich noch nie bestätigt
hatte? Ungeheuerlich! Dieses Schriftstück musste er sehen.
Unbedingt! Aber wie sollte er an es herankommen? »Existiert
dieser Pakt noch?«, fragte er und bemühte sich, seine
Stimme nicht allzu aufgeregt klingen zu lassen.
»Ich weiß es nicht«, gab Hülshout mit
einem Schulterzucken zurück.
»Wo könnte er sich befinden?«
»Warum interessiert dich das?«
»Ludwig war mein bester Freund.«
»Und Elisabeth ist deine beste Freundin?«
»Das ist eine unzutreffende Unterstellung!«,
wehrte sich Andreas und sprang vom Stuhl auf. Das hüpfende
Licht der Kerze warf tiefe Schatten auf das Gesicht des alten
Pastors. Manchmal wirkte er wie ein sanfter, aus unendlicher
Ferne herbeigewehter Engel, ein anderes Mal wie ein Teufel aus
der Unterwelt. Andreas stellte sich vor Hülshout,
stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab und
wollte seinen Worten gerade noch etwas hinzufügen.
»Mäßige dich, mein Sohn«, unterbrach
ihn der alte Geistliche. »Dein Wohl liegt mir am Herzen. Du
bist für mich wie ein Sohn, und ich sehe dich nicht gern in
der Nähe dieser Weibsperson.«
»Warum nicht? Sie ist die Schwester meines besten
Freundes.«
»Es ist etwas an ihr, das mir nicht gefällt.
Vielleicht gibt es Dinge, die du nicht weißt.«
»Könntet Ihr Euch etwas deutlicher
ausdrücken?«
»Es gibt Personen, deren Umgang sich für
Männer unseres Standes nicht geziemt«, gab
Hülshout so bedächtig zurück, als prüfe er
zuerst jedes Wort auf der Zunge, bevor er es aussprach.
»Wollt Ihr damit andeuten, dass Elisabeth eine
liederliche Person ist? Sie ist verheiratet und eine ehrbare
Frau!« Andreas stellte sich aufrecht und ballte die
Hände zu Fäusten. Diese Beleidigung traf ihn tiefer,
als er erwartet hätte.
Hülshout hob den Kopf und lächelte matt. »Es
ist schön, dass du sie so heftig verteidigst. Aber du
solltest keine voreiligen Schlüsse ziehen. Gott verbirgt uns
in seiner großen Weisheit vieles, was uns nur verwirren
würde, wenn wir es wüssten.«
»Wer hat die Untersuchung über Ludwigs angebliche
Teufelsbündnerschaft geführt?«, beharrte Andreas
und ging zum Fenster. Draußen war es bereits stockfinster
geworden. Man hätte glauben können, die Welt hinter den
dünnen Glasscheiben sei verschwunden. Die Stadt sorgte nicht
für die Beleuchtung der Straßen, denn sie wollte die
gottgewollte Ordnung von Licht und Dunkelheit nicht durchbrechen.
Nur drüben, am Geburhaus, stand in einer Nische eine
Madonna, vor der eine windgeschützte Kerze brannte –
ein winziger Fleck, der die Dunkelheit eher verstärkte als
durchbrach.
Es dauerte eine Weile, bis Hülshout auf Andreas’
Frage antwortete. Er schien sich in tiefen Gedanken verloren zu
haben. »Die Untersuchung? Der Erzbischof natürlich,
wie immer in Fällen von Ketzerei, Hexerei und
Teufelsbündnerei.«
»Wenn Ludwig exkommuniziert wurde, hat der Erzbischof
also den Tatbestand des Paktes mit dem Teufel bejaht. Das
bedeutet, dass das Schriftstück, mit dem sich Ludwig dem
Bösen verschrieben hat, als Beweismittel gedient hat. Man
wird es daher aufbewahrt und archiviert haben. Ich muss es sehen.
Und auch den Abschiedsbrief.« Andreas ging in der
Studierstube auf und ab. Er warf einen Blick auf das kleine
Bücherregal an der Wand und das eichene Kreuz darüber.
Es war, als bewache Christus das armselige Wissen unter ihm.
»Das wird nicht leicht sein«, meinte Hülshout
und drehte sich nach seinem unruhigen Kaplan um. »Was
erwartest du von einer Untersuchung dieser Schriftstücke?
Glaubst du nicht, dass die gelehrten Doctores des Erzbischofs
ihre ganze Weisheit darauf angewandt haben? Was willst du
herausfinden, das sie
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