Tod in den Anden
und aus der Baracke rennen würde, um sich zu Dionisio und Doña Adriana zu flüchten. »Nicht mal, wenn Sie mich totschlagen. Nicht mal, wenn Sie mich mit Benzin übergießen und anzünden. Sie können mit diesen Folterungen anfangen, die Sie und Ihre Leute bei den Terroristen anwenden, wenn Sie wollen. Nicht mal dann werde ich reden.«
»Ich werde dir kein Haar krümmen, Bruderherz«, sagte Lituma langsam und betont freundlich. »Du erzählst es mir, und ich gehe. Morgen verläßt du Naccos und ich auch. Jeder geht seiner Wege. Wir werden uns nie wiedersehen. Wir beide werden uns besser fühlen, nachdem du es mir erzählt hast. Du, weil du den Stein losgeworden bist, der dir auf’s Herz drückt. Und ich auch, weil ich den losgeworden bin, der die ganze Zeit hier auf mir gelastet hat. Ich weiß nicht, wie du heißt,und ich will auch nicht, daß du es mir sagst. Nur, daß du mir erzählst, was passiert ist. Damit wir beide ruhig schlafen können, Bruderherz.«
Es folgte ein langes Schweigen, unterbrochen von den sporadischen Schnarchlauten aus der Tiefe der Baracke. Lituma sah ab und zu die aufleuchtende Glut der Zigarette des Arbeiters und eine kleine emporschwebende Rauchwolke, die ihm manchmal in die Nase stieg und ihn kitzelte. Er fühlte sich ruhig. Er war sich absolut sicher, daß der Typ reden würde.
»Ihr habt sie den apus geopfert, nicht wahr?«
»Den apus ?« fragte der Mann, während er sich auf der Pritsche bewegte. Seine Unruhe übertrug sich auf den Korporal, der zuweilen heftiges Jucken an verschiedenen Körperteilen spürte.
»Den Geistern der Berge«, erklärte Lituma ihm. »Den amarus , den mukis , den Göttern, den Teufeln, wie sie auch immer heißen. Denen, die in den Bergen leben und die Katastrophen auslösen. Habt ihr sie geopfert, um den huayco zu verhindern? Damit die Terroristen niemanden umbrachten und keine Leute mitnahmen? Damit die pishtacos nicht irgendeinen Arbeiter ausdörrten? War es deshalb?«
»Ich kann kein Quechua«, sagte der Mann heiser. »Dieses Wort hab ich noch nie gehört. Apu ?«
»Stimmt es nicht, daß es deshalb war, Bruderherz?« beharrte Lituma.
»Medardo war mein Landsmann, ich komme auch aus Andamarca«, sagte der Mann. »Er war Bürgermeister dort. Das hat Medardo reingeritten.«
»Der Vorarbeiter tut dir am meisten leid?« fragte Lituma. »Die anderen werden dir weniger am Herzen liegen als dein Landsmann, stell ich mir vor. Wer mir am meisten leidtut, ist der kleine Stumme. Pedrito Tinoco. Wart ihr gute Freunde, du und Demetrio, ich meine Medardo Llantac?«
»Wir waren Bekannte. Er lebte mit seiner Frau oben am Berghang. In ständiger Angst davor, daß die Terroristen erfahren könnten, daß er da wohnte. Er war ihnen knapp entwischt, damals in Andamarca. Wissen Sie, wie? Er ist in ein Grab gestiegen. Manchmal haben wir uns unterhalten. Sie machten ihn fertig, die Leute aus Ayacucho, aus Abancay, aus Huancavelica. Dauernd sagten sie zu ihm: ›Früher oder später werden sie dich kriegen.‹ Sie sagten: ›Du bringst uns alle in Gefahr, wenn du in Naccos lebst. Hau ab, geh weg von hier.‹«
»Deshalb habt ihr den Vorarbeiter geopfert? Um euch gut mit den Terroristen zu stellen?«
»Nicht nur deshalb«, protestierte der Arbeiter erregt. Er rauchte und blies pausenlos Rauch aus, es war, als mache sich sein Rausch wieder bemerkbar. »Nicht nur deshalb, verdammt.«
»Und warum noch?«
»Diese Hundsfotte haben gesagt, daß er ohnehin verurteilt ist, daß sie früher oder später kommen würden, um ihn hinzurichten. Und da jemand gebraucht wurde, besser einer, der auf ihrer Liste stand und der früher oder später sterben würde.«
»Da Menschenblut gebraucht wurde, willst du sagen, nicht?«
»Aber das war großer Schwindel, sie haben uns nach Lust und Laune verarscht«, sagte der Mann empört. »Haben wir nicht unsere Arbeit verloren? Und wissen Sie, was sie immer noch behaupten?«
»Was denn?«
»Daß wir ihnen nicht die gebührende Anerkennung gezollt haben und daß sie deshalb beleidigt waren. Diesen Hundsfotten zufolge hätten wir noch mehr tun müssen. Verstehen Sie?«
»Natürlich versteh ich«, flüsterte Lituma. »Nichts Furchtbareres, als diesen Albino, diesen Vorarbeiter und diesen kleinen Stummen wegen irgendwelcher apus umzubringen, die nie jemand gesehen hat und von denen keiner weiß, ob es sie gibt.«
»Wenn es nur das wäre«, grunzte der Mann im Liegen, und Lituma dachte, daß der oder die, die im hinteren Teil der Baracke
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