Tod in der Königsburg
Stimme wurde hart. »Natürlich. Wir sollten jetzt den Samen der Vernichtung unter den Uí Fidgente ausstreuen. Zu lange schon haben sie die Eóghanacht von Muman gereizt. Wenn unsere Kinder in Frieden leben sollen, müssen wir dafür sorgen, daß sie so von unserem Zorn niedergedrückt werden, daß sie nie wieder ihre Augen erheben und neidische Blicke gegen Cashel richten können!«
»Im Brief an die Galater steht geschrieben: ›Was der Mensch sät, das wird er ernten‹«, erinnerte ihn Fidelma.
»Unsinn!« fauchte Finguine. »Soll das heißen, du trittst für die Uí Fidgente ein? Denke daran, daß du eine Verpflichtung gegenüber Cashel hast. Du stehst bei deinem Bruder in der Pflicht!«
Fidelma errötete. »Du brauchst mich nicht an meine Pflicht zu erinnern, Fürst von Cnoc Áine«, erwiderte sie kühl.
»Dann denk an die Worte des Euripides, denn ich weiß,daß du gern die Autoren der Antike zitierst. Die Götter messen jedem sein Schicksal zu, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Den Uí Fidgente wird ihr Schicksal zugemessen, und die Zeit dafür ist nahe.«
Der Fürst von Cnoc Áine drehte sich um und schritt davon, sein Temperament war wohl mit ihm durchgegangen.
Eadulf schüttelte verwundert den Kopf. »Dieser junge Mann ist ein rechter Hitzkopf«, stellte er fest.
»Er wird Dornen säen und dann Rosen ernten wollen, wenn man ihn nicht davon abhält«, pflichtete ihm Fidelma ernst bei.
Der Wind hatte etwas nachgelassen, und sie erreichten eine schützende Zinne. Sie beugten sich vor und schauten auf die Stadt. Obwohl es schon spät war, schien sie voller Leben: Pferde, Reiter, Wagen und Menschen drängten sich in den Straßen.
»Wie Zuschauer, die auf den Beginn eines Schauspiels warten«, meinte Eadulf. »Es sieht aus wie an einem Markttag.«
Fidelma antwortete nicht. Sie wußte, daß ihr Vetter Finguine für viele von denen sprach, die sich dort unten versammelten. Doch wenn ihn ein solcher Zorn auf die Uí Fidgente erfüllte, wieso steckte er dann mit Solam zusammen? Sie konnte nicht recht glauben, daß er Solam lediglich aus Pflichtgefühl Geleitschutz nach Cashel gegeben hatte. Warum ritten er und Solam durch den Wald und suchten nach Bruder Mochta und den heiligen Reliquien? Was wußten sie davon? Nein, irgend etwas stimmte da nicht.
Ihr Blick fiel plötzlich auf das Dach des Lagerhauses auf der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes. Es war Samradáns Lagerhaus.
»Samradáns Lagerhaus«, sprach sie nachdenklich. »Ich glaube, ein Teil unserer Lösung ist dort zu finden.«
»Das verstehe ich nicht ganz«, erwiderte Eadulf und folgte ihrem Blick.
»Macht nichts. Heute abend, wenn es dunkel ist, werden wir Samradáns Lagerhaus einen Besuch abstatten. Dort hat die ganze Geschichte begonnen. Ich habe plötzlich das Gefühl, daß wir von dort aus auch zur Lösung des Rätsels gelangen werden.«
KAPITEL 21
Gehorsam folgte Eadulf Fidelma in die Nacht hinaus. Sie verließen die düsteren Mauern des Palasts durch eine kleine Seitentür, um den neugierigen Blicken der Wachen am Haupttor zu entgehen. Die Dunkelheit hatte sich wie ein Leichentuch über die Stadt gebreitet. Niedrig ziehende Wolken verhüllten den Mond.
Immerhin schaffte es der helle Mond, ab und zu durch Wolkenlücken zu brechen und das Land für Augenblicke in ein Licht zu tauchen, das fast taghell erschien. Außer den Lichtern, die aus den Gebäuden schimmerten, ließ auch beißender Rauch aus zahlreichen Schornsteinen erkennen, daß die Menschen sich bemühten, die Herbstkälte zu vertreiben. In der Stadt gab es nur wenig Bewegung. Die meisten Besucher, die sich noch vor wenigen Stunden in den Straßen drängten, hatten sich in die Gasthäuser und Herbergen zurückgezogen, aus denen gedämpfter Lärm zu vernehmen war. Gelegentlich bellte ein Hund, und ein paarmal kreischten Katzen, die sich um ein Revier balgten.
Fidelma und Eadulf erreichten den Marktplatz, ohne daß sie irgend jemand bemerkt hätte.
»Das ist Samradáns Lagerhaus«, erklärte Fidelma überflüssigerweise, denn Eadulf hatte die Ereignisse bei dem Attentatsversuch noch gut in Erinnerung. Das Lagerhaus stand dunkel und verlassen da.
Rasch überquerten sie den Platz, und Fidelma ging sofort zur Seitentür des Gebäudes. Sie war verschlossen.
»Ist sie von innen verriegelt?« fragte Eadulf, als Fidelma vergeblich daran rüttelte.
»Nein. Ich glaube, sie ist nur abgeschlossen.«
Sie benutzte das Wort
glas.
Irische Schlosser waren sehr geschickt in der
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