Tod in der Königsburg
Augen verengten sich.
Fidelma und Eadulf merkten, daß die beiden Männer ihre gemurmelte Unterhaltung eingestellt und sich umgewandt hatten. Beide musterten sie, ohne die Neugier in ihren Mienen zu verbergen.
»Vielleicht möchte ich gar keine Auskunft geben, selbst wenn ich etwas weiß«, sagte die Frau störrisch.
»Vielleicht«, lächelte Fidelma. »Aber vor einem
dálaigh
die Aussage verweigern kann auch teuer werden.«
Die Frau kniff die Augen noch enger zusammen. Ihre Mundwinkel zogen sich herab. Die Spannung im Raum war zu spüren, und die Männer wandten sich wieder ihren Bechern zu, folgten aber sichtlich dem Gespräch.
»Wo ist denn der
dálaigh,
der eine Aussage von mir verlangt?« höhnte die dralle Frau.
»Der bin ich«, erklärte Fidelma leise. »Ich nehme an, du bist Cred, die Besitzerin dieses unlizenzierten Gasthauses?«
Die Frau ließ die Arme sinken. Ihre Mienen wechselten rasch, als könne sie sich nicht darüber klarwerden, ob Fidelma es ernst meinte oder nicht.
Dann errötete sie vor Ärger. »Ich bin die Gastwirtin Cred. Ich führe ein gutes und anständiges Haus, ob mit oder ohne Lizenz.«
»Das mußt du mit deinem
bó-aire
ausmachen. Ich brauche eine Auskunft. Ungefähr vor einer Woche kam ein Mann durch diesen Ort. Er sah aus wie ein berufsmäßiger Bogenschütze. Er ritt eine kastanienbraune Stute, bei der ein Hufeisen lose war, deshalb mußte er zum Schmied.«
Die beiden Männer hatten ihr Gespräch nicht wieder aufgenommenund horchten gespannt auf Fidelmas Worte. Aus dem Augenwinkel sah sie, daß ein dritter Mann das Gasthaus von der Rückseite her betreten hatte. Sie wandte sich nicht nach ihm um, weil sie das Gesicht der Wirtin beobachtete, um ihre Reaktion abzuschätzen. Doch sie spürte, daß der dritte Mann stehengeblieben war und zu ihnen herüberschaute.
Cred starrte Fidelma immer noch trotzig an. »Woher weiß ich, daß du eine
dálaigh
bist?« konterte sie. »Ich brauche keine Fragen von einem jungen Mädchen zu beantworten, ob Nonne oder nicht.«
Fidelma langte in ihre Kutte und zog ein Kreuz an einer goldenen Kette hervor. Dessen symbolische Bedeutung war in ganz Muman bekannt. Der Orden der Goldenen Kette war eine ehrwürdige Adelsbruderschaft in Muman, die aus der Mitgliedschaft der alten Kriegergarde der Könige von Cashel entstanden war. Seine Mitglieder wurden von den Eóghanacht-Königen persönlich ernannt. Fidelmas Bruder hatte sie mit dieser Ehre ausgezeichnet als Anerkennung ihrer Verdienste um das Königreich. Creds Augen weiteten sich, als sie das Zeichen erkannte.
»Wer bist du?« fragte sie nun in verbindlicherem Ton.
»Ich bin . . .«, begann sie.
»Fidelma von Cashel!« Die Worte kamen respektvoll von dem dritten Mann.
Der dicken Frau sank der Unterkiefer herab.
Fidelma schaute sich nun den Mann an. Er war in so einfacher Arbeitskleidung wie die beiden anderen, und seine wettergegerbten Züge zeugten von einer Tätigkeit an frischer Luft. Er machte eine ungeschickte Verbeugung vor ihr.
»Ich bin auch aus Cashel, Lady. Ich arbeite für . . .«
Fidelma hatte rasch geschaltet. »Für den Kaufmann Samradán? Ihr drei seid seine Kutscher?«
Der Mann nickte eifrig. »So ist es, Lady.« Zu der Wirtin gewandt, fügte er rasch hinzu: »Fidelma von Cashel ist nicht nur eine
dálaigh,
sondern auch die Schwester des Königs.«
Cred verneigte sich widerwillig. »Verzeih mir, Lady. Ich dachte . . .«
»Du dachtest, du könntest mir helfen, indem du meine Fragen beantwortest«, fuhr Fidelma scharf dazwischen und verabschiedete den Mann, der sie erkannt hatte, mit einem Nicken. Er gesellte sich zu seinen Gefährten, und sie flüsterten miteinander und warfen verstohlene Blicke herüber.
»Ich . . . ach so . . . ja. Den
Saigteóir
nannten wir ihn. Er blieb hier zwei oder drei Nächte, ungefähr vor einer Woche. Ein hochgewachsener blonder Mann. Er sprach etwas abgehackt und mochte keine Fragen. Er trug einen langen Bogen und weiter keine Waffen.«
Das sprudelte die Frau nur so heraus.
»Aha. Hast du sonst noch etwas über ihn erfahren?«
Cred schüttelte heftig den Kopf. »Wie ich schon sagte, er redete nicht gern«, meinte sie. »Er wählte seine Worte mit Bedacht und äußerte seine Wünsche so knapp wie möglich, und die waren ebenso selten wie seine Worte.«
»Hatte er in der Schmiede zu tun?«
»Du sagst es. Bei seinem Pferd war ein Hufeisen lose, und ich glaube, er kaufte auch Pfeile beim Schmied, denn als er kam, hatte er nur wenige Pfeile im
Weitere Kostenlose Bücher