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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Junge?«
    »Erinnern Sie sich noch an den Jungen, von dem Sie mir erzählt haben, der in der Nacht, bevor die Leiche des Mädchens am Strand gefunden wurde, etwas beobachtet hat?«
    »Ich habe ihn nie wieder gesehen«, sagte er. »Eigentlich hing er den Sommer über ständig hier rum … aber dieses Jahr …«
    »Ist das der Junge?«
    Carlos zeigte ihm ein Foto von Xeta.
    »Das ist er«, antwortete Faustinho, hielt das Foto ins Licht und betrachtete es genauer. »Er ist tot, oder? Das ist das Foto eines Toten.«
    Ich nickte, und Carlos steckte das Foto wieder ein.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er.
    Ich blickte über die Avenida Marginal auf die hinter dem Park im Dunkeln liegende Stadt.
    »Es bedeutet, dass wir uns vielleicht mal vor der eigenen Haustür umsehen sollten«, erwiderte ich.
    Wir gingen durch die Unterführung in den leeren Park. Der Wind schüttelte die Kronen der Bäume, die Wege waren von trockenem, raschelndem Laub bedeckt. Ich wischte eine Bank sauber, und wir setzen uns. Antónios Bar war geschlossen, kein Licht brannte, dabei hätten wir einen Drink gebrauchen können.
    »Erinnern Sie sich noch daran, was ich an jenem ersten Morgen gesagt habe?«, fragte Carlos. »Dass es vielleicht eine Bedeutung hat, dass die Leiche hier in der Nähe Ihres Hauses gefunden wurde.«
    »Wir sind einen großen Kreis gegangen«, sagte ich. »Und das haben wir dabei aus den Augen verloren. Oder ich habe es aus den Augen verloren.«
    Ein weißer Wagen hielt vor dem A Bandeira Vermelha . António Borrego stieg aus, öffnete den Kofferraum und nahm eine Kiste mit Obst und Gemüse und eine weitere mit Fleisch heraus. Dann schloss er die Tür der Bar auf und machte das Licht an, bevor er zum Kofferraum seines Wagens zurückkehrte.
    »Schön zu sehen, dass die Dinger immer noch fahren«, meinte Carlos.
    »Jetzt fängst du endlich an, über Autos zu reden«, sagte ich.
    »Das« , erwiderte Carlos, »ist ein Renault 12. Auto des Jahres irgendwann in den Achtzigern. Mein Vater hatte einen, aber es war der reinste Schrotthaufen. Ich habe als Jugendlicher ständig an der Karre herumgeschraubt.«
    Die beiden Kammern meines Herzens vereisten. Mein Blut war plötzlich zäh und sickerte nur durch meine Adern, und die Luft, die ich einatmete, schien kaum noch Sauerstoff zu enthalten.
    »Komm mit«, sagte ich.
    Wir gingen durch den Park zu der Stelle, wo früher das alte Kino mit dem verblassten rosa Anstrich gestanden hatte und wo man jetzt mit dem Bau eines neuen Bürokomplexes begonnen hatte. Wir gingen links und noch mal links und kamen hinter Antónios Wagen wieder raus.
    »Erinnerst du dich an deine Notizen? Was hat der Typ gesagt, der Senhor Rodrigues’ Mercedes gesehen hat? Was hat er sonst noch gesehen?«
    »Ich weiß es nicht mehr.«
    »Links neben dem Mercedes stand ein brandneuer graumetallicfarbener Fiat Punto und auf der anderen Seite …«
    »Ein weißer Renault 12 mit verrostetem Kotflügel.«
    »Mit verrostetem hinterem Kotflügel.«
    Im blassen Schein der Laterne und dem Lichtstreifen, der aus der Bar fiel, konnte man den Rost an dem Kotflügel deutlich erkennen. António kam heraus, um weitere Waren aus seinem Kofferraum in den Laden zu tragen. Er sah uns, und ich winkte.
    »Wie geht’s?«, fragte er.
    »Bestens«, sagte ich.
    »Wollt ihr was essen? Ich habe ein paar wunderbare, fertig marinierte Rippchen.«
    »Klingt gut.«
    António nahm eine weitere Kiste und verschwand in seinem Lokal.
    »Als Faustinho mich abgeholt hat, damit ich Xeta treffe, war der Junge nicht da«, sagte ich mehr zu mir selbst, »und wir sind ins A Bandeira Vermelha gegangen. Faustinho hat den Jungen in Antónios und meiner Gegenwart detailliert beschrieben.«
    Carlos bewegte seinen Kopf nicht, sondern starrte auf das Licht, das aus der Bar fiel. Ich sagte, er solle hineingehen und mit António über alles außer dem Naheliegenden reden, während ich die lokale PSP alarmieren würde. Wenn er schon Catarina und Xeta getötet hatte, gab es keinen Grund, warum er nicht kämpfend untergehen sollte. Ich ging um die Ecke, um zu telefonieren. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich die Situation erklärt hatte, weil ich nicht wollte, dass die Beamten seine Bar stürmten und ihn damit möglicherweise provozierten. Als ich mich auf den Weg zurück zu dem Lokal machte, war mir übel und kalt, und ich war erschöpft. Ich konnte und wollte das alles nicht.
    Ich trat in den Lichtstrahl, der aus der Tür fiel. Carlos lag, das Gesicht auf dem Boden,

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