Tod in Tanger (Thriller) (German Edition)
ihn zu starten und zu verschwinden.
Selbst dann nicht, wenn die Schlüssel noch steckten und sie sie nicht in den Taschen des Schwarzbarts suchen mußte.
Sie legte ihre Finger um den Pistolengriff und holte die Waffe heraus. Sie wußte nicht viel über Waffen. Wenn man es genau nahm, fast gar nichts. Als kleines Mädchen hatte sie bei Bekannten einmal mit einem Luftgewehr auf Blechbüchsen geschossen, aber das war auch schon alles.
Sie fühlte mit der Fingerkuppe den kleinen Hebel an der Seite der Pistole. Eine Schußwaffe muß entsichert werden, das war ihr aus Kriminalfilmen bekannt. Und dies mußte der richtige Hebel dafür sein und so legte sie ihn um.
Eine Sekunde später blickte sie in Roberts Gesicht, der die Treppe herunterkam, seine Waffe in der Hand.
Elsa zögerte keinen Moment, denn sie wußte, daß sie nur diese eine Chance bekommen würde. Und vielleicht würde auch die ihr nicht mehr helfen können. Sie drückte ab und feuerte einen Schuß nach dem anderen, wobei sie kaum bewußt zielte, sondern die Waffe einfach nur in die Richtung hielt, aus der Robert kam.
Damit hatte er nicht gerechnet.
Er sackte getroffen in sich zusammen und rutschte die Treppe hinunter. Elsa ließ die Waffe fallen, als sie sah, was sie bewirkt hatte. Robert blickte sie mit starren Augen an.
Er war tot.
12.
Elsa lief hinauf zum Schlafzimmer, um ihre Tasche zu holen. Was geschehen war, war so furchtbar, daß es ihr fast den Verstand zu rauben drohte.
Aber es war ihr auch klar, daß sie jetzt, trotz allem, ein Minimum an kühlem Kopf bewahren mußte. Sie nahm also ihre Tasche und ging zum Landrover, draußen vor der Tür. Sie stieg ein.
Der Schlüssel steckte, so brauchte sie ihn nicht erst in den Kleidern des Schwarzbarts zu suchen. Sie ließ den Wagen an und fuhr los.
Ein paar Augenblicke später befand sie sich auf der Straße nach Tanger.
Ihre Hände zitterten, während sie das Lenkrad hielt.
Nur weg von hier! dachte sie. So schnell und so weit wie möglich!
Ein Lieferwagen kam ihr entgegen und streifte den Land- rover fast, weil Elsa zu weit in der Mitte fuhr.
Nur ruhig bleiben! hämmerte es in ihr.
Als sie die Stadt erreichte, stellte sie den Wagen irgendwo in einer Seitenstraße ab und ließ sich von einem Taxi zum Hafen fahren.
Sie hatte Glück. Sie würde noch das letzte Schiff errei- chen, das heute nach Spanien abfuhr. Es dauerte endlos, bis sie es schließlich geschafft hatte, ein Ticket zu bekommen.
Und dann hieß es erneut warten. Hunderte von Marokkanern hatten sich hier am Hafen gesammelt. Die meisten von ihnen Männer, die in Frankreich oder Holland arbeiteten.
Ein dürrer, hohläugier Mann, der doppelt so alt wirkte, wie er wirklich war, trat an Elsa heran und bot ihr Haschisch an. Erst auf französisch, dann auf englisch, schließlich auf deutsch.
Elsa tat so, als bemerke sie ihn nicht, blickte zur Seite, ging ein paar Schritte weiter. Aber der Kerl war hartnäckig, so hartnäckig, wie ein Vertreter seiner Zunft eben nur sein konnte.
„Verschwinde!“ sagte sie unfreundlich und genervt. „Ich will nichts von dir!“
„Very good quality!“
„Hau ab!“
Er machte noch einen eher halbherzigen Versuch, mit ihr ins Geschäft zu kommen, dann zog er endlich ab.
Elsa ließ ihre Tasche nicht aus der Hand. Sie wußte, daß man hier im Hafen höllisch aufpassen mußte, daß man nicht etwas ins Gepäck gesteckt bekam, was einem später Ärger machte.
Dann kamen die Zollkontrollen, die umständlich und bürokratisch vor sich gingen. Wirklich scharf kontrolliert wurde aber nur das Gepäck der Marokkaner.
Der Beamte, der sich Elsas Paß vornahm, hatte eine prächtige Uniform und schien sich vorzukommen wie ein Vier-Sterne-General. Er machte eine große Geste und musterte Elsa. Erst das Gesicht, daß er mit dem Paßbild verglich, dann glitt sein Blick tiefer und blieb an ihren Schuhen hängen. Und dann sah es auch Elsa. Sie erschrak. Ihr rechter Turnschuh hatte rote Flecken. Blut...
Bei ihrer Flucht war sie wohl hineingetreten. Jetzt war es angetrocknet. Elsa fühlte ihren Puls bis zum Hals schlagen. Sie dachte an den schrecklichen Ort, von dem sie geflohen war. Wenn jemand dorthin kam, und alles so vorfand, wie es jetzt war, was mußte er davon halten?
Sechs Leichen.
Die Waffe! kam es ihr in den Sinn. Sie hatte die Waffe des Schwarzbarts einfach fallen lassen. Sicher würde man ihre Fingerabdrücke daran noch finden können... Sie hatte in der Eile einfach
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