Tod in Wolfsburg (German Edition)
spielte
darauf an, dass Frauke nach ihrer Ankunft in Hannover lange auf einen eigenen
Arbeitsplatz, auf Dienstausweis und Dienstwaffe hatte warten müssen. »Werfen
Sie einen Blick in die Personalakte.«
»Schön«, sagte Frauke und wollte aufstehen, doch Ehlers hielt sie
zurück.
»Lesen Sie die Unterlagen bitte hier.«
»Vertrauen Sie mir nicht?«
Statt einer Antwort lächelte der Kriminaloberrat sie an und zeigte
mit ausgestreckter Hand auf den Stuhl, auf dem sie saß.
Hier in Hannover war offenbar alles anders, dachte Frauke. Im
heimischen Flensburg ging man nicht so miteinander um. Das half aber nichts.
Sie musste sich den Gegebenheiten fügen, nahm die Akte zur Hand und überflog
den Inhalt.
Thomas Schwarczer war in Hannover geboren. Er war sechsundzwanzig
Jahre jung. Nach dem Abitur hatte er sich bei der Polizei beworben. Frauke warf
einen kurzen Blick auf die Noten. In Sport hatte Schwarczer eine Eins, die
naturwissenschaftlichen Fächer schienen ihm allerdings weniger gelegen zu
haben. Für seinen späteren Beruf war es sicher auch unerheblich, dass es ihm in
den musischen Fächern zur Gänze an Begabung gemangelt hatte.
Nach seiner Ausbildung an der Polizeiakademie in Hannoversch Münden
und einem Jahr bei der Landesbereitschaftspolizei war Schwarczer für zwölf
Monate im Wach-und Wechseldienst beim Polizeikommissariat Seelze eingesetzt
gewesen, bevor er zur Kriminalpolizei wechselte und hier in das Dezernat 27 des Landeskriminalamts, das
Spezialeinsatzkommando – SEK –,
übernommen wurde. Schwarczer schien seinen Beruf mit Begeisterung und Sorgfalt
auszuüben. Er hatte durchweg positive bis gute Beurteilungen. Fraukes Finger
blieb beim Durchblättern an den Bestätigungen über erfolgreiche Kursteilnahmen
und Fortbildungen haften. Immerhin schien der Kommissar ein besonderes Talent
beim Schießen zu haben, eine Gabe, die Frauke nicht als oberstes Kriterium bei
Polizeibeamten schätzte. Daneben hatte er eine Reihe von Spezialausbildungen
besucht, die typisch für die Verwendung in Spezialeinheiten wie dem SEK waren.
»Interessanter Werdegang«, warf Ehlers ein, der Frauke über den Rand
seiner Brille beobachtet hatte.
»Mir fehlen Erfahrungen im Alltagsgeschäft«, sagte Frauke. »Unsere
Aufgabe ist das Ermitteln, das Erkennen von Zusammenhängen, das Spüren, das
Bauchgefühl, aber auch die zwingende Logik hinter den Verbrechen. All das
fehlt.«
»Dafür steht Ihre Erfahrung und die der beiden anderen Kollegen«,
erwiderte der Kriminaloberrat.
Frauke wollte etwas entgegnen, verzichtete aber darauf. Die
Entscheidung war ohne ihr Zutun gefallen. Sie hatte sich damit abzufinden und
blätterte stattdessen noch einmal in der Akte zurück. Schwarczer hatte dort
neben den Namen seiner Eltern auch deren Geburtsorte angeben. Sein Vater,
Schweißer von Beruf, war in Akmolinsk geboren, die Mutter stammte aus Almaty,
das früher unter dem Namen Alma-Ata Hauptstadt Kasachstans war.
»Akmolinsk heißt heute Astana und ist die neue Hauptstadt
Kasachstans«, erklärte Ehlers. Ein Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. »Man
sagt, dass es nach Ulan-Bator die zweitkälteste Hauptstadt der Welt sei.«
»Wie kommen die Eltern nach Deutschland?«
»In Kasachstan leben heute noch etwa dreihunderttausend Deutsche,
überwiegend ehemalige Russlanddeutsche, die nach 1920 in die kasachische Steppe umgesiedelt wurden. Manche machen wegen der
unwirtlichen Lebensverhältnisse von ihrem Recht Gebrauch und kehren nach
Deutschland zurück. Aber Herr Schwarczer ist hier geboren.«
Ein Migrant der zweiten Generation, dachte Frauke. Vieles am neuen
Teammitglied schien ihr suspekt. Sie musste an den ermordeten Lars von Wedell
denken, der sich mit so immenser Begeisterung den neuen Aufgaben im Dezernat
für organisierte Kriminalität widmen wollte.
Ehlers sah demonstrativ auf seine Armbanduhr und streckte die Hand
aus. »Falls Sie noch Fragen haben, können Sie mich jederzeit ansprechen. Würden
Sie mir jetzt bitte Herrn Putensenf hereinschicken?«
Frauke stand auf, nickte dem Kriminaloberrat zu und kehrte in ihr
Büro zurück. Unterwegs sah sie in das Zimmer des Kriminalhauptmeisters.
»Putensenf«, sagte sie betont. »Herr Ehlers erwartet Sie.«
» Herr Putensenf heißt das«,
knurrte der Senior. Seine Angriffslust schien aber in Erwartung des Gesprächs
beim Vorgesetzten merklich gelitten zu haben.
Frauke nahm erneut das Studium der Akten auf, bis sie von Madsack
unterbrochen wurde, der Schwarczer im Gefolge
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