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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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schockierte sie. »Gerald?«
    »Dein erster Mann. Ich kenne ihn nicht. Was für ein Mensch ist er?«
    »Es ist lange her. Ich weiß nicht. Ich habe keine Ahnung…«
    »Würde er dich aufnehmen?«
    »Mich aufnehmen?« Noch vor zehn Sekunden hätte sie diesen Gedanken weit von sich gewiesen, doch jetzt wußte sie mit absoluter Gewißheit, daß ihr Gerald im Unterbewußtsein herumgespukt hatte, als sie die Stadt verließ. »Weiß nicht, ob er mich aufnehmen würde. Aber versuchen möchte ich’s.«
    »Wenn nicht, bist du am Ende.«
    »Uns wird schon etwas einfallen.«
    »Außerdem – mit dem Geld, das ich habe, könnten du und der alte Tommy vielleicht…«
    »Geralds Schule muß ganz in der Nähe sein. Ich würde ihn gern sprechen.«
    »Es sind Osterferien. Vielleicht ist er gar nicht da.«
    »Vielleicht aber doch.«
    »Wenn die Polizei schlau ist, sucht sie dort zuerst nach dir.«
    Er hatte Gerald vorgeschlagen, doch jetzt machte er Einwände. Vielleicht hatte er Angst, daß ihr neuer Schmerz zugefügt wurde. Gerald, das wußte sie, würde ihr niemals weh tun. »Das Risiko gehe ich gern ein. Wenn du einverstanden bist.«
    Er wandte sich ab, tastete nach der Flanke des Wagens. »Ich habe alle abgeschüttelt. Sie werden natürlich Geld wollen. Ihr Geld zurück. Ihr Geld…« Er lächelte und schien zu sehen. Seine Augen waren klar und hellbraun und schienen etwas zu sehen. »… Ich habe eine Frau und einen Sohn. Habe ich dir das schon erzählt?«
    »Wir haben ja meistens von mir gesprochen.«
    »Na ja, das ist auch schon alles… Sie heißt Tracey. Ich lernte sie auf einer Reise nach Boston kennen. Den Jungen rufen wir Roddie zwei. Ich muß irgendwo ein Foto haben.«
    Er zerrte eine Brieftasche aus seinen Jeans und hielt sie ihr hin. Sie nahm das Leder, öffnete es aber nicht. Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Ein prächtiger kleiner Junge.«
    »Er wächst natürlich noch. Das Bild ist zwei – nein, fast drei Jahre alt.«
    Sie gab ihm die Brieftasche zurück. Sie wollte es nicht wissen. Sie freute sich, daß er noch ein anderes Leben hatte, daß er jemanden hatte, zu dem er gehen konnte, doch sie wollte nichts davon wissen. »Fragen wir doch Mr. Tucker, ob er so freundlich wäre, uns bis zu Geralds Schule mitzunehmen«, sagte sie.
    Sie konnte nicht immer edel sein. Sie konnte sich nicht immer freuen für Menschen, die noch existieren und Liebe finden würden, wenn es sie längst nicht mehr gab.
     
    Das Telefon am Bett klingelte lange, ehe sich jemand rührte. Schließlich streckte die Frau eine breite, mütterliche Hand aus und hob den Hörer ab. Sie lauschte kurz und schüttelte Harry wach. »Für dich, Schatz. Der Fernsehmensch. Am Telefon. Er will mit dir reden.«
    Harry erwachte nur langsam, erkannte sie, war erleichtert. »Wie spät ist es?«
    »Noch nicht neun. Ziemliche Frechheit.«
    Er nahm den Hörer. »Vincent? Es ist ja noch nicht mal neun. Was um alles auf der Welt wollen Sie…?«
    Er brach ab. Lauschte. »Also, das ist Ihr Problem… Nein, ich habe keine Ahnung, wo sie sein könnte. Ich habe schon vor Jahren aufgegeben, mir vorzustellen, was sie als nächstes tut.«
    Er legte sich auf das Kissen zurück und schloß die Augen. »Gerald? Nach dem, was er ihr angetan hat? Sie machen Witze. Nein, wenn sie nicht völlig durchgedreht ist, wäre das der letzte Ort, wo sie sein würde.« Er öffnete die Augen und machte eine Geste zur Küche, wünschte sich eine Tasse Tee. »Ich hab’s Ihnen doch gesagt, ich habe keine Vermutungen. Sie hatte so einen Tick mit alten Gebäuden – wenn’s in der Nähe eine Ruine gibt, ist sie vielleicht dort. Ihr Paß? Ich habe ihn hier… Natürlich bin ich sicher.«
    Er legte den Hörer hin, stemmte sich aus dem Bett und wanderte ins Wohnzimmer. Einen Moment später kehrte er zurück. Aus der Küche tönte das anheimelnde Geräusch eines vollaufenden Teekessels. »Hallo? In der Schublade, wie ich sagte. So, wie sie gestern abend in der Sendung aussah, wird sie kaum auf dem Kontinent herumgeistern.«
    Er stieg wieder ins Bett, zog die Decke bis zum Kinn hoch, überlegte es sich dann anders und schob den Stoff bis zur Hüfte hinab, bereit für die Ankunft des Tees. »Nein. Und ihren Vater können Sie auch abhaken. Sie hat ihn gehaßt. Sie hat überhaupt jeden gehaßt. Offenbar auch mich… Nein – eine Ruine ist wirklich die beste Chance. Sie hatte einen Tick, wenn es um alte Bauten ging.«
    Er wollte schon auflegen. Dann: »Vincent? Ja, ich überlege… Ja, wenn Sie sie

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