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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Wiege erst aufsuchten, wenn wir selbst schlafen gingen, oft erst nach 23 Uhr, hatten ihn der eingebildete haarige Affe hinter den Gardinen und die weiße Eule auf dem Schrank, die sich beide auf ihn stürzen wollten, wenn er um Hilfe rief, gelähmt, daß sein Gesicht bleich, leer und schmerzverzerrt war… Mein erster und einziger Sohn. Aus meiner ersten und einzigen Ehe. Er war ein gutes Kind und klug. Auch die Ehe war gut gewesen, aber weitaus weniger klug. Kaum überraschend, daß ich weder Sohn noch Frau hatte, als ich mit Vincent in den Beobachtungsraum neben dem Krankenzimmer trat.



Das also war Katherine Mortenhoes Gesicht, ehe der Vorhang fiel. Anschließend kamen nur noch einige Tricks der Regie: Frauen, die sich in Spiegeln beobachten, Frauen beim Heulen und Zähneklappern, Frauen, die ›Scheiß drauf‹ sagen. Das alles lenkte mich ab, schuf Abstand und brachte mich auf die Frage, was wohl zuerst dagewesen war, die Regisseure, die sich die Tricks der Frauen anschauten, oder die Frauen, die ihre Tricks den Regisseuren abschauten. Auf jeden Fall hatte sich das menschliche Verhalten seit Beginn des Fernsehverhaltens geändert. Aber die Symptome wollten kein Ende nehmen…
    Schüttelfröste, Lähmungen, Verlust der Bewegungskoordination, Schweißausbrüche, doppeltes Sehen, versagende Körperfunktionen… Dies alles mit Zeitplan und knapper Erläuterung serviert wie einen Pauschalurlaub – in der ersten Woche machen alle Urlauber dies, in der zweiten Woche sehen alle das, in der dritten Woche fühlen alle Urlauber etwas anderes. Und in der vierten Woche fallen alle tot um. Endlich klappte Dr. Mason, der mehr zur gegenüberliegenden Wand als zu der lebendigen Frau vor sich gesprochen hatte, die letzte, schimmernde Seite zu, auf die eigentlich das Bild eines Haufens flotter, glücklicher Leute gehörte, die bei einer flotten, glücklichen Beerdigung zum Abschied winkten. Wenn es so ein Bild gab, zeigte er es ihr jedenfalls nicht.
    Die Aufzählung empfand ich als unnötige Grausamkeit, aber Katherine Mortenhoe nahm munter jedes Wort auf, nickte dabei und bat zuweilen um Klarstellung. Hätte ich eben nicht ihr wirkliches Gesicht gesehen – Vincent mußte stolz darauf gewesen sein, das arrangiert zu haben –, wäre mir der Gedanke gekommen, sie hätte Spaß daran. Ich hätte gedacht, nun hat sie wenigstens Bedeutung gewonnen. Aber die Munterkeit war nur ein weiterer Regietrick, wenn sie ihn auch gut über die Rampe brachte.
    Dann stand sie auf und versprach, sich wieder zu melden, und gab dem Augenblick etwas Formelles, indem sie Dr. Mason die Hand reichte; dann ging sie. So einfach und schlicht war das. Vielleicht verlangte das Romantische in ihr nach einer Art stilisierter Vornehmheit.
    Ich war froh, daß ich ihr nicht folgen konnte, daß ich sie nicht draußen im Korridor sehen, nicht mit ihr im Lift nach unten fahren konnte. Ich wußte, diese Dinge waren eigentlich notwendig, aber auch so war ihr schon verdammt wenig Intimsphäre geblieben.
    Dr. Mason, der sie auf den Flur begleitet hatte, schloß die Tür hinter ihr und kehrte an seinen Tisch zurück. Dort angekommen, schien er nichts zu tun zu haben. Natürlich war es Vincent, der die Dinge wieder in Fluß brachte.
    »Haut’s hin?« fragte er mich.
    Ich schloß die Augen.
    »Mason hätte mehr aus dem Syndrom herausholen sollen. Daß sie etwas ganz Besonderes ist. Ihre besondere Sensitivität. Das hätte ihr gefallen.«
    Ich antwortete nicht. Er drückte die Taste des Sprechgeräts.
    »Mason? Ich glaube, Sie hätten mehr aus dem Syndrom machen sollen. Daß sie etwas ganz Besonderes ist. Ihre besondere Sensitivität. Das hätte ihr gefallen. Meinen Sie nicht auch?«
    Ich hörte, wie Dr. Mason Papiere zurechtschob, vermutlich den Computer-Printout. »So etwas möchte ich nicht noch einmal durchmachen«, sagte er.
    »Aber wir haben doch vereinbart, daß Sie ihre besondere Sensitivität herausstellen. Um Himmels willen, die arme Frau muß doch etwas haben, was sie aufmuntert!«
    »Ich habe immer weitergeredet. Mehr konnte ich nicht tun – immer nur weiterreden.«
    »Vor nicht allzu langer Zeit gehörte so etwas zum Tagesablauf jedes Arztes.«
    »Jetzt aber nicht mehr.«
    »Nein. Na ja. Ich glaube nicht, daß ich es irgendwie besser hätte machen können. Jedenfalls kann Roddie das Messianische auch später noch herausstreichen.«
    Ich öffnete die Augen. Nach drei Minuten Dunkelheit begann der Schmerz. »Du bist sehr sicher, daß sie unterschreibt«, sagte

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